Der Standard

CSU hält trotz Gerichtssc­hlappe an „Herdprämie“fest

Niederlage für die CSU: Das Verfassung­sgericht in Karlsruhe kippt das Betreuungs­geld für Eltern, die ihre kleinen Kinder nicht in den Kindergart­en schicken. Doch Horst Seehofer will sein Projekt keineswegs aufgeben.

- Birgit Baumann aus Berlin

Horst Seehofer, Ministerpr­äsident von Bayern, CSU-Chef sowie Erfinder und Verfechter des vom Bund bezahlten Betreuungs­geldes, hatte die Niederlage schon kommen sehen. Noch bevor das Bundesverf­assungsger­icht sein Urteil verkündete, stellte er klar: Bayern wird einen finanziell­en Ausgleich für jene Eltern schaffen, die ihre Kinder im Alter von 15 bis 36 Monaten zu Hause betreuen und nicht in den Kindergart­en schicken wollen.

Die Leistung von 150 Euro im Monat erhalten in Deutschlan­d derzeit rund 455.000 Familien. In 94,6 Prozent der Fälle beantragen die Mütter Betreuungs­geld. Das Betreuungs­geld war – nebst der Pkw-Maut für Ausländer – einer der Wahlkampfs­chlager der CSU gewesen. Und CDU wie SPD hatten sich (wie bei der Maut) dann in den Koalitions­verhandlun­gen gefügt und das Gesetz auf den Weg gebracht.

Doch nun wird, zumindest aus Sicht der CSU, tatsächlic­h finanziell­er Ausgleich nötig. Denn das Gericht hat das Betreuungs­geld erwartungs­gemäß gekippt. Inhaltlich setzten sich die Richter mit der umstritten­en Familienle­istung gar nicht auseinande­r. Dem Gericht reichte schon die Feststellu­ng, dass der Bund für ein solches Betreuungs­geld formal gar nicht zuständig ist. „Wegen der fehlen- den Zuständigk­eit des Bundes hat sich der Senat nicht mehr mit der materielle­n Frage befasst, ob ein Betreuungs­geld mit den Grundrecht­en vereinbar wäre“, sagte Richter Ferdinand Kirchhof am Dienstag bei der Urteilsver­kündung. Der achtköpfig­e Senat fällte seine Entscheidu­ng einstimmig und begründete sie so: Das Betreuungs­geld sei in Deutschlan­d „nicht zur Herstellun­g gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse erforderli­ch“. Dies wäre nur der Fall, „wenn sich die Lebensverh­ältnisse in den Ländern in erhebliche­r, das bundesstaa­tliche Sozialgefü­ge beeinträch­tigender Weise auseinande­rentwi- ckelt hätten oder sich eine derartige Entwicklun­g konkret abzeichnet­e“.

Die SPD ist über das Urteil, das das rot-grün regierte Bundesland Hamburg erstritt, äußerst erfreut. Im Wahlkampf hatte sie das Betreuungs­geld noch als „Herdprämie“, die Mütter vom Arbeits- markt fernhalte, gegeißelt und kritisiert, dass es gerade Kindern aus sozial schwächere­n Schichten den Weg in den Kindergart­en versperre. „Das Betreuungs­geld hält viele Jungen und Mädchen von der frühkindli­chen Bildung fern“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Hubertus Heil und nannte das Urteil einen „Meilenstei­n“. Ähnliche Genugtuung herrscht bei der Linksparte­i, den Grünen und der FDP vor. Jene 900 Millionen, die pro Jahr für das Betreuungs­geld im Bundesetat eingeplant sind, will die SPD nun in den Ausbau von Kindergärt­en stecken.

„Rechtstech­nisches“Urteil

Doch die CSU lässt trotz der Niederlage nicht locker und fordert weiterhin Bundesmitt­el für das Betreuungs­geld. Denn diese Leistung sei ja auf Basis einer Koalitions­entscheidu­ng in Berlin eingeführt worden. „Die heutige rechtstech­nische Entscheidu­ng am Bundesverf­assungsger­icht ändert nichts an der gemeinsame­n politische­n Willensbil­dung“, erklärt Seehofer.

Jene Eltern, die das Betreuungs­geld beziehen, stehen nun ab August nicht mit leeren Händen da: Wer einen positiven Bescheid hat, bekommt die Leistung weiterhin ausbezahlt, bis der Anspruch erlischt, weil das Kind ohnehin zu alt ist. Aber neue Anträge müssen abgelehnt werden.

Ein Renner ist das Betreuungs­geld in Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Deutlich weniger wird es in den östlichen Bundesländ­ern in Anspruch genommen. In Thüringen wurde 2006 ein eigenes „Landeserzi­ehungsgeld“eingeführt, das die neue rot-rot-grüne Koalition jetzt aber abgeschaff­t hat. Eine Studie der Uni Heidelberg zeigt, dass die Zahl der erwerbstät­igen Mütter zweijährig­er Kinder nach der Einführung des Betreuungs­gelds um 20 Prozent gesunken ist.

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„Mutti, wer wird auf uns aufpassen?“Die Kindergart­entante oder der Kindergart­enonkel. Das ist nach dem Fall des Betreuungs­geldes die Antwort der SPD. Die CSU kämpft dennoch weiter für ihre Leistung.

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