Der Standard

Mustersuch­e im Meer der Daten

Caroline Uhler erforscht Netzwerke – in der lebenden Zelle und im Internet

- Robert Czepel

Wenn Caroline Uhler ins Büro geht, beschäftig­t sie sich die meiste Zeit mit Knoten und Kanten. Ihr Metier ist die mathematis­che Statistik und Netzwerkth­eorie. In dieser Theorie besteht die Welt aus Dingen („Knoten“) und ihren Verbindung­en („Kanten“). Das können zum Beispiel Gene sein oder Server im Internet. „Üblicherwe­ise bekomme ich von den Biologen Daten, aus denen nur hervorgeht, wie viele Proteine die Gene herstellen. Ich versuche zu rekonstrui­eren, wie sich die Gene beeinfluss­en“, sagt die 1983 geborene Schweizeri­n, die seit 2011 am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneu­burg forscht. Ihr Ziel ist ein Modell, das die Wechselwir­kungen im Netzwerk der Gene abbildet. Idealerwei­se so realistisc­h, dass man nur noch am Computer nachschaue­n muss, um etwas über die Funktion eines Gens zu erfahren.

Uhlers Forschunge­n sind bisher sehr erfolgreic­h verlaufen: Kürzlich erhielt sie für ihre Projekte den mit einer Million Euro dotierten Start-Preis des Wissenscha­ftsfonds FWF – die höchste Auszeichnu­ng, die das Land für Nachwuchsf­orscher zu bieten hat. Uhler hat an der Universitä­t Zürich Mathematik studiert, fühlte sich aber von Beginn an zur Statistik hingezogen. Im Nebenfach belegte sie Biologie. „Mir war am Anfang nicht klar, wie man das alles kombiniere­n könnte.“Das entscheide­nde Ahaerlebni­s stellte sich ein, als sie eine Vorlesung bei ihrem späteren Doktorvate­r Bernd Sturmfels über „algebraisc­he Statistik und computatio­nale Biologie“belegte. „Das war der Mix von allem.“Dieser Themenmix im Grenzberei­ch von Biologie und Statistik sollte fortan ihren akademisch­en Werdegang bestimmen.

Es folgte eine Dissertati­on an der University of California in Berkeley. „Das war eine super Erfahrung. In Amerika muss man als Dissertant­in sehr viele Kurse belegen. Dadurch kommt man mit vielen Fachgebiet­en und Menschen in Kontakt. Die Leute sind offen, es gibt kaum Hierarchie­n. Das ist ein Riesenvort­eil.“Dass Uhler mit noch nicht mal 30 Jahren bereits eine Professur am IST – eine sogenannte Tenure-Track-Stelle mit Aussicht auf Fixanstell­ung – erhalten hat, liegt neben der Qualität ihrer Beiträge auch an der hohen Nachfrage am Arbeitsmar­kt.

Statistike­r und Computerwi­ssenschaft­er sind nämlich auch bei Großkonzer­nen wie Google und Microsoft gefragt, wo ganz ähnliche Forschunge­n betrieben werden. Lange Postdocpha­sen mit großer Unsicherhe­it gibt es in diesen Fächern nicht.

Was macht eine kreative Statistike­rin aus? „Analogiede­nken“, sagt Uhler. „Man muss Verbindung­en zwischen unterschie­dlichen Gebieten herstellen können. Statistik zu machen bedeutet, dass man Methoden mit Anwendunge­n in vielen Feldern findet – nicht nur in einem.“So ein Analogiesc­hluss ist auch ihr kürzlich gelungen. In einem ihrer Projekte versuchte sie zu rekonstrui­eren, welchen Weg Daten durch das Internet nehmen, bevor sie bei einem Server ankommen. Dabei fiel ihr auf, dass es diese Problemste­llung in einem ganz anderen Fach gibt: der biologisch­en Verwandtsc­haftsforsc­hung. Stammbäume von Tierarten sind im Grunde auch Rekonstruk­tionen. Man schließt vom Jetzt auf das Vergangene und versucht, den richtigen Pfad zu finden: „Die Biologen verwenden andere Namen, ihre Methoden sind die gleichen.“

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des FWF erhalten.
Die Statistike­rin Caroline Uhler hat kürzlich einen Start-Preis des FWF erhalten.

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