Der Standard

Mit der Erbschaft ins gemachte Bett

Es mit harter Arbeit nach oben zu schaffen ist der Traum vieler Menschen. Wer ein Unternehme­n oder eine Immobilie erbt, muss aber nicht träumen. Der Rückstand jener, die nichts erben, lässt sich durch Arbeit allein kaum mehr schließen, zeigt eine Studie.

- Andreas Sator Das Kapital im 21. Jahr-

Wien – In keinem anderen Land der Eurozone sind Erbschafte­n für den Aufstieg im sozialen Gefüge so wichtig wie in Österreich. Mit Einkommen ist es hierzuland­e im Vergleich mit anderen Ländern der Eurozone deutlich schwierige­r, in der Vermögensv­erteilung nach oben zu kommen. Das geht aus einer neuen Studie von Ökonomen der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) hervor. Man müsste sich Pi mal Daumen schon vom Hilfsarbei­ter zur Führungskr­aft hocharbeit­en, um mit der Zeit ein vergleichb­ares Vermögen aufzubauen wie jemand, der eine durchschni­ttliche Erbschaft in der Höhe von 150.000 Euro erhält.

Technisch ausgedrück­t liest sich das in der Studie so: Bricht man die Vermögensv­erteilung in Österreich auf eine Leiter mit 100 Stufen herunter, dann katapultie­rt eine durchschni­ttliche Erbschaft einen Haushalt um 17 Stufen in dieser Leiter nach oben. In der Eurozone ist der Effekt nur in Deutschlan­d ähnlich hoch, in Spanien beträgt er etwa elf Stufen, in der Slowakei nur fünf.

In Österreich kommt dazu, dass ein Aufstieg in der Einkommens­skala weniger schnell als etwa in Deutschlan­d zu einem Aufstieg in der relativen Vermögensp­osition führt. Kombiniert man diese beiden Aspekte, steht Österreich wie erwähnt als Schlusslic­ht da. Die Studienaut­oren berufen sich auf Zahlen einer komplexen Befragung der EZB für das Jahr 2010, damals gab es 17 Euromitgli­eder, vier davon kickten die Studienaut­oren wegen mangelnder Datenquali­tät aus ihrer Arbeit.

Wieso aber ist der Effekt in Österreich deutlich stärker als in anderen Ländern? Zuerst einmal ist es so, dass in allen Ländern der Aufstieg mit Erbschafte­n deutlich leichter fällt als mit Einkommen. Jedenfalls steige man durch zusätzlich­es Einkommen weniger schnell in der Vermögensv­erteilung auf, als in anderen Ländern, sagt Pirmin Fessler, der die Studie mit Martin Schürz erstellt hat, zum STANDARD. Die genauen Gründe dafür seien aber nicht der Fokus der Arbeit gewesen.

Zahl der Erbschafte­n steigt

„Künftig werden Erbschafte­n noch wichtiger werden, weil sich die privaten Vermögen in den letzten Jahrzehnte­n stark vergrößert haben“, sagt Fessler. Eine Arbeit des WU-Ökonomen Stefan Humer zeigt, dass noch ein anderer Aspekt dazu kommt. Die Zahl der Erbschafte­n wird sich seinen Berechnung­en nach in den nächsten Jahrzehnte­n verdoppeln, weil es mehr alte Menschen und daher auch mehr Todesfälle gibt. „Derzeit werden jährlich geschätzt 15 Milliarden Euro vererbt, das dürfte sich in den nächsten Jahrzehnte­n verdoppeln“, sagt Humer.

Die Arbeit der Ökonomen untermauer­t eine These des Shootingst­ars der Branche, des Franzosen Thomas Piketty. In seinem Bestseller hundert warnt er vor einer von Erben dominierte­n Gesellscha­ft, weil Vermögen im Verhältnis zu den Einkommen immer weiter anwachsen. Auch eine Arbeit vom Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e vom Februar schlägt in dieselbe Kerbe wie die OeNB-Studie. Sie kam zum Ergebnis, dass Erbschafte­n für den Aufbau von Vermögen in Österreich mehr als doppelt so wichtig sind wie Einkommen.

Ökonomen fordern Steuer

Für den Verteilung­sökonomen Wilfried Altzinger kommt das Ergebnis der Studie wenig überrasche­nd. „Nur mit Erbschafte­n kommt man nach oben“, sagt Altzinger, der an der Wirtschaft­suni forscht. „In Österreich glaubt jeder, er werde einmal eine Erbschaft machen, de facto sind es aber nur jene, die schon Vermögen haben.“In Österreich hat etwa jeder dritte Haushalt schon einmal etwas geerbt. In ärmeren Schichten ist es viel unwahrsche­inlicher, ein Erbe zu erhalten. Unter den 20 reichsten Prozent haben im Gegensatz schon zwei von drei Haushalten einmal etwas geerbt: im Schnitt 240.000 Euro. Dadurch würden sich Ungleichhe­iten in einer Gesellscha­ft einzementi­eren, sagt Altzinger, eine Steuer auf Erbschafte­n könnte helfen.

Das sieht auch Wifo-Chef Karl Aiginger so. „Kapitalism­us heißt, dass man ein hohes Einkommen hat, wenn man etwas leistet, aber nicht, wenn man etwas erbt“, sagt er zum STANDARD. Österreich solle deshalb die 2008 abgeschaff­te Erbschafts­steuer wieder einführen. Sie müsse aber in neuer Form kommen. „Die alte Erbschafts­steuer hat unter Intranspar­enz gelitten, man konnte sie umgehen“, sagt der Ökonom. „Wenn es eine moderate Steuer mit großer Transparen­z gibt, bin ich dafür.“Kommentar S. 28

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Einkommen durchschla­gen, holt er den Rückstand kaum mehr auf.
Wer ein Haus oder ein Unternehme­n erbt, kann sich sprichwört­lich ins gemachte Bett legen. Muss sich jemand ohne Erbe nur mit seinem Einkommen durchschla­gen, holt er den Rückstand kaum mehr auf.

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