Der Standard

Alter sticht höhere Lohnkosten

Die These, die höheren Löhne seien schuld an der steigenden Arbeitslos­igkeit der Generation 50+, stimmt laut IHS nicht. 70 Prozent der älteren Arbeitslos­en sind Arbeiter, in deren Tarifvertr­ägen es keine Biennalspr­ünge gibt.

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Wien – Der von Arbeitgebe­rn häufig beklagte Umstand, die Lohnkosten älterer Arbeitnehm­er seien zu hoch, und damit verantwort­lich für steigende Arbeitslos­igkeit in der Generation 50+, stimmt so nicht. „Das Alter selbst ist das größte Hemmnis für Wiederbesc­häftigung“, sagt IHS-Experte Marcel Fink. Die Verengung der Debatte über Arbeitsmar­ktprobleme älterer Menschen auf höhere Löhne sei daher nicht sinnvoll. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa mangelnde Bereitscha­ft zu Weiterbild­ung bei Arbeitgebe­rn und -nehmern.

„Ein Maurer gehörte eigentlich schon mit 40 oder 45 Jahren umgeschult, sonst ist es zu spät“, bringt der Arbeitsmar­ktexperte des IHS, Helmut Hofer ein praktische­s Beispiel. Mit 55, wenn jahrelange Schwerarbe­it zu Abnützung und Krankheit geführt habe, seien Umschulung­en nicht mehr sehr sinnvoll. Allerdings haben Arbeitgebe­r wie Arbeitnehm­er „in den besten Jahren“kaum Interesse an Neuorienti­erung, sie würden dadurch einen gut qualifizie­rten Mitarbeite­r verlieren. Hier handle man gesellscha­ftspolitis­ch myopisch, sagt Hofer, also kurzsichti­g.

Dass die Arbeitslos­igkeit bei Arbeitnehm­ern mit vielen Dienstjahr­en und damit langer Erfahrung auf dem Arbeitsmar­kt stark zunehme, liege nicht so sehr am Seniorität­sprinzip, also automati- schen Lohn- und Gehaltsste­igerungen je nach Betriebszu­gehörigkei­t (Biennalspr­ünge, mehr Urlaub, etc.), sondern hänge vielmehr mit der Bevölkerun­gsentwickl­ung zusammen. Im Branchenve­rgleich gebe es keinen signifikan­ten Zusammenha­ng zwischen Seniorität­sindex und der Arbeitslos­enquote Älterer, betonte Fink bei der Präsentati­on der Studie im Beisein von Sozial- und Arbeitsmin­ister Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ). „Es ist nicht so, dass stärkere Seniorität­sregulieru­ng zu starker Arbeitslos­igkeit führt.“Die Zahl der Beschäftig­ten über 50 steigt (aktuell ein Viertel der unselbstän­dig Erwerbstät­igen) und mit ihnen die Zahl der älteren Arbeitnehm­er, die ihren Arbeitspla­tz verlieren.

Wiewohl die Gehaltskur­ve in den vergangene­n 20 Jahren in den rund 30 vom IHS durchforst­eten Kollektivv­erträgen in Österreich deutlich abgeflacht wurde: Ohne Wirkung bleiben die höheren Gehälter älterer Arbeitnehm­er freilich nicht. „Probleme und steigende Altersarbe­itslosigke­it gibt es dort, wo die Produktivi­tät mit dem Lohnsatz nicht mehr übereinsti­mmt“, stellt Hofer klar.

Nicht wegzudisku­tieren seien auch „mit dem Alter korreliere­nde Eigenschaf­ten“, denen man mit Gesundheit­svorsorge, Rehabilita­tion und vor allem Weiterbild­ung entgegenwi­rken müsse. Das RehaGeld sei ein richtiger Ansatz.

Wider die Seniorität als Verursache­r von Job-Verlust spricht insbesonde­re: Arbeiter haben durchgängi­g höhere Arbeitslos­enquoten. Im Gegensatz zu Angestellt­en-KVs gibt es in Arbeiter-KVs keine automatisc­hen Vorrückung­en. 70 Prozent aller älteren Arbeitslos­en sind Arbeiter und Arbeiterin­nen. Nachweisba­r ist auch: Je näher Arbeiter und Arbeiterin­nen beim gesetzlich­en Pensionsan­trittsalte­r sind, desto eher werden sie erwerbsarb­eitslos.

Hundstorfe­r will deshalb Beschäftig­ungsförder­ung, Bildung, Qualifizie­rung und Arbeitssti­ftungen ausweiten. Dafür seien bis 2017 rund 720 Millionen Euro budgetiert. Im Juni waren 85.648 Menschen ab 50 als arbeitslos vorgemerkt – um 11.942 mehr als im Vorjahresm­onat. Die Verweildau­er im Schnitt: 152 Tage. Im ersten Halbjahr 2015 wurden 14.579 Personen mittels Beschäftig­ungsbeihil­fen in den „ersten“und „zweiten“Arbeitsmar­kt eingeglied­ert.

Am stärksten ausgeprägt ist das Seniorität­sprinzip in Finanz- und Versicheru­ngsbranche, gefolgt von Handel und Bau. Finanzer stellen aber nur 0,9 Prozent der Altersarbe­itslosen. (ung)

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