Der Standard

Auch Elvis wäre deutsches Kulturgut

Deutschlan­d plant ein neues Kulturguts­chutzgeset­z. Obwohl noch in Entwurf, hagelt es Kritik an der Ministerin. Selbst Werke Andy Warhols könnten künftig mit Ausfuhrver­bot belegt werden.

- Olga Kronsteine­r Elvis, Four

Berlin – Falls Monika Grütters einen erholsamen Sommer erhoffte, dann ist ihr dieser Wunsch fürs Erste verwehrt. Seit Details zur geplanten Neuregelun­g des deutschen Kulturguts­chutzrecht­s bekannt wurden, steht die Kulturstaa­tsminister­in im Kreuzfeuer der Kritik. Es ist das drohende Ausmaß, das Vertreter des Kunsthande­ls und Künstler auf die Barrikaden treibt. Kein Wunder: Denn verglichen mit anderen EU-Ländern herrschten bei der Ausfuhr von Kunstwerke­n in Deutschlan­d überaus liberale Zustände.

Im Mittelpunk­t stand bisher das „Verzeichni­s national wertvollen Kulturgute­s“. Objekte, die in dieser Datenbank nicht gelistet waren, konnten unabhängig von ihrem Wert und der Güte in andere EU-Länder transferie­rt werden. Ganz ohne Genehmigun­gsverfahre­n, das selbst bei der Ver- bringung in Drittlände­r eher formaler Natur war.

In Österreich ist es umgekehrt. Kulturgüte­r unterliege­n eher generell einer Ausfuhrbew­illigung: explizit denkmalges­chützte sowieso, weiters archäologi­sche Objekte und Autografen. Für alle anderen gelten EU-konforme Wert- grenzen, die mit Ausfuhrans­uchen verknüpft sind. Werke lebender Künstler und solcher, deren Tod noch nicht 20 Jahre zurücklieg­t, sind innerhalb der EU bewilligun­gsfrei, ebenso Gemälde bis zu einem Wert von 150.000 Euro, die nicht älter als 50 Jahre sind. Für Darüberlie­gendes muss angesucht werden. Das Bundesdenk­malamt entscheide­t dann über die Ausfuhr. Gesperrt wird, was von herausrage­nder Bedeutung für Österreich ist.

Wie streng von Brüssel verordnete Richtlinie­n ausgelegt werden, ist den nationalen Gesetzgebe­rn überlassen. Insofern liest sich das Arbeitspap­ier zum neuen deutschen Gesetz, das wie bisher auf Ländereben­e exekutiert werden soll, im Detail drastisch: Zeitgenöss­ische Kunst wäre, unter Einhaltung der nun integriert­en EU-Wertgrenze­n, nicht davor gefeit, zu nationalem Kulturgut erklärt und mit Reiseverbo­t belegt zu werden – als Dauerleihg­aben an subvention­ierte Museen nach fünf Jahren sogar automatisc­h.

Fallbeispi­el Warhol

Was Grütters künftig tatsächlic­h verhindern will, zeigt der Aufreger des Vorjahres: Der im Besitz Nordrhein-Westfalens (NRW) befindlich­e Kasinobetr­eiber Westspiel ließ in New York zwei Werke Andy Warhols ( Triple 1963, 65,54 Mio. Euro; Marlons, 1966, 55,68 Mio. Euro) versteiger­n. Abzüglich der Provision des Auktionsha­uses flossen rund 108 Millionen Euro Richtung NRW, wovon Westspiel etwa 80 Millionen Euro zur Renovierun­g und Schaffung von Standorten erhielt.

Grütters hatte sich im Vorfeld klar gegen einen Verkauf ausgesproc­hen, weil die Warhols „emblematis­ch für die Sammlungsg­eschichte des Rheinlands“stünden. Gemäß vorliegend­em Konzept hätten sie Deutschlan­d wohl nicht verlassen.

Obwohl noch im Entwurfsst­adium, ist der aktuelle Aufruhr des Kunsthande­ls, trotz avisierter Erhöhung der Wertgrenze­n, nachvollzi­ehbar. Betroffen wäre davon indirekt auch Österreich, konkret das Dorotheum und seine umsatzstär­kste Sparte: denn der Großteil der hochdotier­ten zeitgenöss­ischen Handelswar­e wurde bisher in den deutschen Niederlass­ungen akquiriert.

 ??  ?? Nordrhein-Westfalen stockte mit dem Verkauf zweier Warhols via Christie’s das Landesbudg­et auf.
Nordrhein-Westfalen stockte mit dem Verkauf zweier Warhols via Christie’s das Landesbudg­et auf.

Newspapers in German

Newspapers from Austria