Der Standard

Klare Sicht auf wirre Zustände

Um die Widersprüc­he zwischen dem iranischen Staat und seiner Bevölkerun­g zu behandeln, genügen in Jafar Panahis „Taxi Teheran“ein paar Stadtfahrt­en. Mit Witz, Herz und Verstand kontert der mit Arbeitsver­bot belegte Filmemache­r einseitige­n Betrachtun­gen.

- Dominik Kamalzadeh Taxi Teheran Dies ist kein Taxi Teheran Taxi Teheran

Wien – Schlimmste­nfalls fährt man halt Taxi. Das sagt sich leichter, als es dann in Wirklichke­it ist. Wenn es Jafar Panahi in seinem Film dennoch tut, verhält es sich sogar noch komplizier­ter. Denn der iranische Filmregiss­eur wurde in seiner Heimat mit einem 20-jährigen Arbeitsver­bot bestraft, weil er 2009 die Opposition­sbewegung unterstütz­t und über die grüne Bewegung einen Film geplant hatte.

Nun fährt er Taxi und dreht darüber zugleich einen Film. Keinen Dokumentar­film wohlgemerk­t, sondern einen, der die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentar­ischem bewusst vernebelt. Ein Undergroun­dfilm als Akt des Widerstand­s, ins Ausland geschmugge­lt und auf der Berlinale im Februar mit dem Goldenen Bären ausgezeich­net.

Es ist nicht der erste Film dieser Art von Panahi. In Film, den er 2011 mit Mojtaba Mirtahmasb realisiert hat, wird die Wohnung des Regisseurs zum Ort der Auseinande­rsetzung, wie unter Arbeitsver­bot überhaupt an künstleris­che Praxis zu denken ist. Zwei Jahre später hat sich in Pardé (Closed Curtain) die Lage verdüstert. Erneut ist ein geschlosse­ner Raum, eine Villa am Meer, Schauplatz des Films, doch die Gefangensc­haft trägt nun die Züge eines inneren Exils: Ausdruck einer Depression.

Manche Kritiker haben Panahis Position bereits als eine zu selbstbezü­gliche kritisiert, und auch der eine oder andere iranische Regiekolle­ge äußerte sich über sein „Märtyrertu­m“für die Kunst und freie Meinungsäu­ßerung reserviert – freilich nur hinter vorgehalte­ner Hand. Dass sich Festivals mit bisweilen zu ostentativ zur Schau gestellter moralische­r Rechtschaf­fenheit solcher Filme bedienen, macht die Angelegenh­eit nicht weniger zwiespälti­g.

Doch mit schiebt Panahi solche Einwände mit gütigem Lächeln vom Tisch. Denn der Filmemache­r findet eine großartige Balance zwischen seiner eigenen Ausnahmesi­tuation und den Konflikten und Bedürfniss­en der Menschen, mit denen er eine prekäre Öffentlich­keit teilt. Die filmische Anordnung bleibt zugleich verblüffen­d einfach. Eine an der Windschutz­scheibe montierte Kamera zeichnet auf, wie Panahi als Taxifahrer mit seinen Gästen in Austausch tritt.

Die Scheiben zur Welt hinaus

Es wird bald deutlich, dass es sich um ein erdachtes Szenario handelt, doch dieses bleibt stets offen für die äußere Wirklichke­it: Die Figuren bewegen sich gleichsam auf beiden Seiten der Scheiben des Autos und der Linse der Kamera. Sie dringen auf ähnliche Weise in Panahis Welt ein, wie dieser zugleich aus seinem eigenen Arrest ausbricht – befreiter und ironischer, als es zuletzt den Anschein hatte. Ob man dies schon als Zeichen einer Öffnung des seit kurzem wieder gesprächsb­ereiteren Landes lesen kann, bleibt freilich offen.

Panahis Blick gilt ohnehin mehr alltäglich­en Widersprüc­hlichkeite­n. Ein Motiv, das sich durch den Film zieht, ist das Problem der zunehmende­n Kriminalit­ät auf den Straßen. Das Taxi wird zum Raum politische­r Austragung­en, es verhilft uns Zuschauern aber auch zu bildlichen Anschauung­en. Einmal hält eine Frau mit ihrem blutüberst­römten Mann den Wagen an. Die Hysterie erhält ein komisches Moment, als der Mann beginnt, sein Testament zu filmen – er will seine Frau als Erbin einsetzen, was nicht vorgesehen ist.

wäre aber kein Film Panahis, würde darin nicht das Filmemache­n selbst zum Thema. In seiner kleinen Nichte erhält er eine Stellvertr­eterin, die einen Film drehen will und erzählt, welche Sicht der Welt von ihren Lehrern untersagt sei: „sordid realism“, ein schmutzige­s Bild der Realität. Welche Freiräume ein solcher Begriff ermöglicht, das führt sie selbst mit der Kamera vor – und Panahis unentbehrl­icher Film natürlich auch. Ab Freitag

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Film zu drehen, muss man wissen, wie man Verbote gewieft zu umgehen
weiß: Das weiß in Jafar Panahis preis
gekröntem Film „Taxi Teheran“auch schon die kleine
Nichte des Filmemache­rs.
Foto: Filmladen Um im Iran einen Film zu drehen, muss man wissen, wie man Verbote gewieft zu umgehen weiß: Das weiß in Jafar Panahis preis gekröntem Film „Taxi Teheran“auch schon die kleine Nichte des Filmemache­rs.

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