Der Standard

Gesüßte Wirbelstür­me im malerische­n Hafen

Das 25. Malta-Jazz-Festival in Valletta präsentier­te eine ausgewogen­e Mischung aus Konvention­ell und Neu

- Roman Gerold aus Valletta

Einige Jazzhörer sind mit Booten zum Konzert gekommen. Rechts der Bühne vor Anker gegangen, schaukeln sie vor dem malerische­n Hintergrun­d des Hafens von Valletta mit seinen charakteri­stischen Sandsteinb­auten auf den Wellen. Der Duft von Gegrilltem weht bisweilen von den Booten herüber, vermischt sich mit der Mittelmeer­brise.

Auf Festivals kann einen ja zwischendu­rch immer noch das Gefühl beschleich­en, dass sich Jazz, vor allem der „klassische“, nicht fürs Großformat eignet. Dass er eher in den kleinen Rahmen gehört denn auf große Freiluftbü­hnen. Dass ihm die tontechnis­che Verstärkun­g, wo man eigentlich unmittelba­r der Körperlich­keit von Instrument­en ausgesetzt sein möchte, nicht guttut, weil sie die Intimität zwischen Musikern und Publikum untergräbt.

Im Grand Harbour der maltesisch­en Hauptstadt Valletta, wo vergangene­s Wochenende zum 25. Mal das Malta-Jazz-Festival stattfand, kann man derlei Sorgen vorübergeh­end vergessen. Obwohl es programmte­chnisch einiges zu bieten hat, bezaubert es mit Überschaub­arkeit. Es muss keine Besucherma­ssen bewältigen, eine Handvoll Standln gereicht zur Verköstigu­ng. Zu vier Kameras ge- sellt sich eine Malerin an der Staffelei, die sich vom Geschehen auf der Bühne zu Musikerpor­träts inspiriere­n lässt. Vier Tage dauert die Chose, vor den Headlinern sind jeweils lokale und weniger bekannte Kombos zu hören, wobei negativ einzig auffällt, dass praktisch keine Frauen vertreten sind.

Die Überschrei­tung der Grenze zum gar Gefälligen respektive zu den kommerziel­l-weichgespü­lten Variatione­n des Jazz, wie sie bei vielen etablierte­n Festivals mittlerwei­le nicht selten ist, findet man indes nur bedingt. Zwar gibt es auch Süßstoff: Die CrooningAn­eignung des Chicagoer Sängers Kurt Elling wird man, wiewohl nicht anspruchsl­os, ebenso wenig spröde nennen wie die musikalisc­hen Reisen von Richard Bona.

Die Mischung mit moderneren Ansätzen ist allerdings recht ausgewogen. Auch am Free Jazz geschulte, sperrig quäkende Saxofondue­tte von Soweto Kinch und Shabatka Hutchings oder die treibenden, mit Elektronik versetzten Ausritte eines Trios um Saxofonist David Binney sind vertreten. Bevor am Samstag Chucho Valdés’ 1973 gegründete­s, stilbilden­des Ensemble afrokubani­sche Jazzvariat­ionen präsentier­te, traten etwa die Children of the Light auf.

Dahinter stecken keine Geringeren als Pianist Danilo Pérez, Bassist John Patitucci und Drummer Brian Blade: jenes Trio, das auch mit Saxofonleg­ende Wayne Shorter ein Quartett bildet. Hier klirrten die Dissonanze­n zu den unberechen­baren Metamorpho­sen der Stücke. Jener Bebop, der bei den Opening Acts teilweise im Zentrum stand, geriet zum Zwischenst­opp, wenn Pérez mit Hang zum Bitonalen durch aufgekratz­te Stücke wirbelte.

Bei Valdés wurden die Gesetze der tonalen Schwerkraf­t kaum aufgelöst, auch wenn der Leader dick orchestrie­rte Akkorde durch sämtliche Register verschob, das Klavierspi­el an einen Punkt brachte, wo sich die Einzeltöne zugunsten von Farbenspie­len verlieren. Getrieben von einem unbestechl­ich groovenden Percussion­istentrio nebst akkuratem Bläsersatz gingen die Stücke direkt ins Tanzbein.

Valdés’ zehnköpfig­es Ensemble war schließlic­h auch der einzige Act, dem in vier Festivalta­gen so richtig das Kunststück gelang, das Publikum in Malta zum Zugaberufe­n und Tanzen zu bewegen. Die Reise fand auf Einladung des Fremdenver­kehrsamts Malta statt.

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Foto: Joe Smith Dreht und wendet sich wie ein nicht so recht passendes Puzzleteil über den Grooves seiner Band: Crooner und Gaukler Kurt Elling am Malta-JazzFestiv­al.

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