Der Standard

Schwere Wolken über dem Delta

Ewige Themen in prächtigen Herbstfarb­en. Countrysta­r Rosanne Cash gastiert am Montag mit neuem Album in Wien.

- Karl Fluch Tell Heaven ken Lands, River & The Sun-

Wien – Ihr Halbbruder hat es probiert, aber es ging nicht. John Carter Cash nahm lieber am Stuhl hinter dem Aufnahmepu­lt Platz als vorn am Mikrofon. Der Sohn von Johnny Cash versuchte sich zwar auf Tour mit seinem Dad als Countrysän­ger, anders als ein zu erduldende­r Pausenfüll­er wurde er nicht wahrgenomm­en.

Wie schwierig es sein kann, sich aus dem Schatten eines übermächti­gen Vaters zu lösen, darüber wurden Filme gedreht, Bücher geschriebe­n, daran sind im richtigen Leben Existenzen zerbrochen.

Rosanne Cash kann davon ein Lied singen. Oder zwei. Aber sie hat es geschafft. Die älteste Tochter des Countrygro­ßmeisters Johnny Cash etablierte sich früh als eigenständ­ige Künstlerin, kommenden Montag gastiert die 60-Jährige in der Wiener Arena.

Ihre Karriere kam zu Beginn der 1980er-Jahre in Fahrt. Das war ein für Country schlechtes Jahrzehnt. Die Ära der gebügelten Jeans und einer Musik, die sich der Technik anstatt der Gefühle ergab.

Das zeitigte überproduz­ierte Schablonen­alben ohne Ecken und Kanten. Nashville, und Rosanne Cash lebte dort, wurde zum Synonym für aalglatte Kommerzpro­dukte, die Country als authentisc­he Volksmusik des weißen Mannes zu Grabe trugen. Da mittendrin reüssierte sie mit über- durchschni­ttlich intelligen­ten Songs und gelangte regelmäßig in die Charts. Heute blickt sie auf ein paar Dutzend Hits zurück, etliche Grammy-Gewinne und Nominierun­gen sowie eine zweite Karriere als Autorin.

Nach dem Ende ihrer ersten Ehe zog sie Anfang der 1990er nach New York. Dort lebt sie mit ihrem Ehemann John Leventhal. Die Metropole schärfte ihren Blick für die Themen des Country, den sie ohnehin nie hardlineri­sch interpreti­ert hat. Früh ließ sie Folk, Gospel und Blues in ihre Musik einfließen.

Ihr jüngstes mit drei Grammys ausgezeich­netes Album The The Thread (2014) ist ein diesbezügl­iches Manifest. Eine Sammlung von Liedern, die von den Mythen des amerikanis­chen Südens beeinfluss­t sind. Von Reisen ins Delta, an die Geburtsort­e des Blues, des Soul, des Rock ’n’ Roll.

Inspiriert von den Charaktere­n und der Geschichte dieses Landstrich­s entstanden so einfache wie vielschich­tige Songs. Etwa

oder die in ihrer Reduktion und erzähleris­chen Kraft große Wirkmächti­gkeit besitzen. Verpackt sind sie in prächtige Herbstfarb­en und eine patinierte Soundästhe­tik, die man von Joe Henry kennt. Zusätzlich punktet das Album mit Gastauftri­tten von Kris Kristoffer­son oder Tony Joe White.

Auch ihre Familienge­schichte schimmert aus The River & The Thread heraus. Das wunderbare Etta’s Tune ist eine Erinnerung Cashs an ihre Tante Etta. Keine Blutsverwa­ndte, aber als Frau eines Begleitmus­ikers ihres Vaters, Marshall Grant von den Tennessee Two, eine frühe Konstante ihrem Leben.

Auf Tour spielt Rosanne Cash ihre Songs im Duo mit ihrem Mann John Leventhal, selbst ein Grammyprei­sträger und Kollaborat­eur illustrer Größen wie Willie Nelson, Elvis Costello, Dolly Parton, Emmylou Harris, Charlie Haden oder Levon Helm. Gemeinsam reduzieren sie die Songs auf ihr Maximum.

Wer sich davon an das Spätwerk ihres Vaters erinnert fühlen möchte, bitte sehr. Rosanne Cash live: 27. 7., Arena, 3., Baumgasse 80. 20.00

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Vorjahr erschienen­en Blue-Note-Debüt „The River & The Thread“. Am Montag gastiert sie in Wien.
Rosanne Cash tourt zurzeit durch Europa. Mit Ehemann John Leventhal spielt sie vornehmlic­h Lieder aus ihrem im Vorjahr erschienen­en Blue-Note-Debüt „The River & The Thread“. Am Montag gastiert sie in Wien.

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