Berge, die kippen können
Kaum etwas in Österreich ist so beständig wie das Wetterpanorama. Manchem Alpenrepublikaner hilft es nämlich viel, wenn in der Früh alles genau so geblieben zu sein scheint, wie es am Vortag schon war. Das Landschaftsfernsehen hat den Beruhigungswert von einem Viertel Baldrian, und das ganz ohne Zuckergehalt. Und auch die Volksmusik, die die Naturbilder auditiv unterlegt, festigt das Gefühl von Kontinuität.
Zithermusik umschmeichelt den Zuseher, später folgen Trompetenweckrufe. Gleichmäßig streift die Kamera über den aalglatten Neusiedler See, schwenkt in Heiligenblut am Großglockner dann ins Vertikale. Vom Annaberg schaut man um 8.32 Uhr gottgleich hinunter auf die kleinen Häuschen der Menschen, blickt vom Hochkar auf ruhende Skilifte, die sich von den Strapazen des Winters erholen. Das ist schön. Auch Wien: ausgestorben. Seelenruhige Menschenleere!
Aber nicht auszudenken, man schaltet in diesem Zustand den Ton ab. Alles könnte sich wie in einem Horrorfilm unversehens verkehren. Es könnten sich aus den sattgrünen Berghügeln Elfriede Jelineks Untote erheben (die die österreichische Geschichte dort vergessen hat), oder es könnte im schönen Wildbachareal des Serfauser Murmliwassers Marlen Haushofers einsam und hilflos gegen eine unsichtbare Wand klatschende Frau ins Bild rücken.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich hinter dem Wetterpanorama ein Langzeitprojekt der IG Autorinnen Autoren verbirgt. Thomas Glavinics Die
das den IchErzähler eines Tages in einer menschenleeren Welt aufwachen lässt, war der letzte Hinweis darauf. Ein subtil auf Zersetzung der Harmonie abzielendes Ding in aller Herrgottsfrüh! p derStandard.at/TV-Tagebuch