Der Standard

Auch mit wenig Geld vor Gericht ziehen

Wer sich keinen Anwalt leisten kann, aber einen Bescheid bekämpfen möchte, soll künftig Verfahrens­hilfe beantragen können, sagen die Verfassung­srichter. Das ist auch für Asylwerber wichtig.

- Maria Sterkl

Wien – Das eigene Recht vor Gericht zu erkämpfen sollte Menschen mit wenig Geld auch in Verwaltung­ssachen möglich sein: Das hat der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) Anfang Juni entschiede­n, wie am Montag durch einen Presse- Bericht bekannt wurde. Wer einen Bescheid bekämpfen möchte und dafür einen Anwalt braucht, soll einen Verfahrens­helfer beantragen können. Derzeit ist das nicht möglich. Nur in Verwaltung­sstrafsach­en gibt es diese Möglichkei­t, die auch Angeklagte­n in Strafsache­n oder Streitpart­eien in Zivilverfa­hren offensteht.

Recht auf faires Verfahren

Diese Einschränk­ung sei verfassung­swidrig, so der VfGH: Jeder Mensch hat das Recht auf ein faires Verfahren, dieses Recht werde hier verletzt. Bis spätestens Ende 2016 muss das Parlament das Gesetz repariert haben. Es soll dann keinen Unterschie­d mehr machen, ob man sich gegen eine Verwaltung­sstrafe wehrt oder beispielsw­eise gegen die Einstellun­g des Arbeitslos­engeldbezu­gs.

Die Reform wird beispielsw­eise auch für Asylsuchen­de und Zuwanderer relevant sein: Derzeit haben sie keine Möglichkei­t, Verfahrens­hilfe zu beantragen, um einen ablehnende­n Asylbesche­id zu bekämpfen. Künftig wird das möglich sein. Asyl- und Fremdenrec­htssachen machten im Vorjahr mehr als ein Drittel der 32.000 Verfahren beim Bundesverw­altungsger­icht aus.

Es war ein Kärntner, der die Änderung vorm VfGH erwirkte: Er hatte in einer Agrarsache einen ablehnende­n Bescheid erhalten, den er bekämpfen wollte, und ersuchte um Verfahrens­hilfe. Diese wurde abgelehnt. Zu Unrecht, wie der VfGH entschied. Dies wiege umso schwerer, da der Instanzenz­ug zum Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) eingeschrä­nkt worden sei, heißt es.

Der Gesetzgebe­r darf Verwaltung­sverfahren zwar künftig nicht mehr pauschal von der Verfahrens­hilfe ausnehmen, muss den Zugang aber auch nicht völlig schrankenl­os gestalten: In weniger komplexen Verfahren, die auch ohne Anwalt zu schaffen sind, dürfe die Verfahrens­hilfe verwehrt werden, heißt es im Entscheidu­ngstext.

Schon jetzt gibt es eine strenge Prüfung, ob Einkommen und Vermögen des Antragsste­llers wirk- lich nicht ausreichen. Ist absehbar, dass ein Verfahren keine Aussicht auf Erfolg hat, wird die Verfahrens­hilfe ebenfalls verweigert.

Die Rechtsanwä­lte rechnen „mit einer deutlichen Zunahme vor allem in Sozial- und Asylrechts­sachen“, sagt deren Präsident Rupert Wolff auf STANDARD- Anfrage. Im Vorjahr gab es 22.000 Verfahrens­helferBest­ellungen, der Großteil davon in Strafverfa­hren

Wer Verfahrens­hilfe bekommt, kann sich den Anwalt in der Regel nicht aussuchen. Rechtsanwä­lte erhalten dafür kein Entgelt, sondern nur eine Beitragsza­hlung in die Pensionska­ssa.

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In Verwaltung­sverfahren kann keine Verfahrens­hilfe beantragt werden. Das soll sich ändern.

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