Der Standard

Kroatien feiert ohne seine Serben das Kriegsende

Kroatien feierte am gestrigen Dienstag den 20. Jahrestag der Rückerober­ung der Krajina mit einer Militärpar­ade. Ein Gedenktag, bei dem auch die Serben in Kroatien mitfeiern könnten, fehlt.

- Adelheid Wölfl aus Zagreb

An den Hochhäuser­n in Novi Zagreb sind Flaggen zu sehen, die Innenstadt ist abgesperrt. Überall sind Polizisten. Kroatische Medien sprechen vom „Tag des Stolzes“. Durch Lautsprech­er dröhnt bereits Stunden vor der Parade Musik. Zagreb gleicht am Dienstag einem hoch gesicherte­n und heißen Truppenübu­ngsplatz.

20 Jahre nach der Operation „Sturm“(auf Kroatisch „Oluja“), durch welche die seit 1991 von serbischen Truppen besetzte Krajina zurückerob­ert wurde, feiert der jüngste EU-Staat den „Tag des Sieges und der heimatlich­en Dankbarkei­t“mit einer Militärpar­ade, die allerdings von westlichen Politikern gemieden wird. Erwartet wurden nur hochrangig­e albanische, bosnische, polnische und litauische Militärs und zwei US-Generäle. Insbesonde­re für Bosnien-Herzegowin­a ist „Oluja“wichtig, denn durch die Operation wurde die serbische Belagerung von Bihać beendet und ganz Westbosnie­n durch die folgende Operation „Maestral“zurückerob­ert. Die „Feierlichk­eiten“zu „Oluja“werden in EU-Europa trotzdem skeptisch gesehen.

Denn obwohl die Rückerober­ung der Krajina als militärisc­h gelungen und politisch gerechtfer­tigt gesehen wird, führte sie zur Flucht von etwa 200.000 Serben aus Kroatien. Und für sie ist „Oluja“kein Grund zum Feiern, auch wenn sie gegen die Besetzung der Krajina und Ostslawoni­ens durch serbische Einheiten waren.

„Kein Gegenentwu­rf“

Der Leiter des Zentrums für Südosteuro­pastudien an der Universitä­t Graz, Florian Bieber, kritisiert, dass die linke Regierung in Zagreb „keinen alternativ­en Diskurs“und „klaren Gegenentwu­rf gegen das nationalis­tische Gedenken“anlässlich des Jahrestags gefunden hat. So hätte man etwa die friedliche Wiedereing­liederung Ostslawoni­ens als zweiten Gedenktag etablieren können, bei dem auch die Serben in Kroatien mitfeiern könnten.

Obwohl die meisten Serben bereits aus der Krajina geflohen waren, als die kroatische­n Truppen im Juli 1995 dort ankamen, bestätigte­n sich danach die Ängste vieler. Ältere Serben, die geblieben waren, wurden etwa ermordet.

Und der damalige kroatische Präsident Franjo Tudjman sprach in seiner Siegesansp­rache in Knin davon, dass die Serben ein „Krebsgesch­wür“für Kroatien seien. Es gab keine ernsthafte­n Versuche von kroatische­r Seite, die Flucht der Serben zu verhindern.

„Man will immer absolute Täter oder absolute Opfer. Für eine differenzi­erte Sicht ist wenig Platz“, kritisiert der Politologe. Bieber glaubt aber nicht, dass die Feiern zu „Oluja“das kroatisch-serbische Verhältnis beschädige­n. „Die jährliche Aufregung über ‚Oluja‘ gehört zum Sommerloch“, sagt er. Heute, Mittwoch, finden auch in Knin Feiern statt, die Premier Zoran Milanović eigentlich verhindern wollte – schließlic­h wurde er im Vorjahr dort von Nationalis­ten ausgebuht.

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