Der Standard

Ungarns Polizei schließt die Pforte zum Westen

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Unzählige Menschen drängen zum Bahnhof Budapest-Keleti. Sie wollen es den tausenden Flüchtling­en gleichtun, die am Vortag in mehreren Zügen das gelobte Deutschlan­d erreicht haben. Doch hier, im Idealfall etwas mehr als sieben Zugstunden von München entfernt, ist am Dienstag Endstation. Ungarns Polizei schreitet am Vormittag ein, schließt den Bahnhof und evakuiert das Gebäude, um es eine Stunde später wieder zu öffnen. Den Flüchtling­en bleibt der Zutritt aber weiterhin verwehrt – von mit Schlagstöc­ken ausgerüste­ten Polizisten. Einige hundert Schutzsuch­ende, die noch in der Früh einen der begehrten Plätze in den Zügen ergattern konnten, bleiben von dieser Maßnahme verschont und durchschre­iten als letzte die Pforte zum Westen, bevor sie sich zur Gänze schließt.

Die zeitweise 5000 Flüchtling­e vor dem Bahnhof wollen nicht verstehen, wieso das, was gestern noch erlaubt war, heute verboten sein soll. Es erklärt sich aber auch niemand von ungarische­r Seite – niemand weiß, wie lange die Migranten noch ausgesperr­t werden. Ein Regierungs­sprecher meint lapidar, dass damit EU-Recht umgesetzt werde. Die Flüchtling­e protestier­en lautstark, klatschen, buhen, skandieren „Germany, Germany“oder „Merkel, Merkel“. Einige wedeln mit ihren Tickets nach München, die sie laut eigener Aussage für viel Geld erworben haben. Manche berichten, dass sie betrogen wurden und Fahrkarten zweimal kaufen mussten.

Wenig später schwächt sich der Protest ab. Viele richten sich vor den Eingängen ein, campieren. Einige Schutzsuch­ende überlegen einen Hungerstre­ik, um die Weiterfahr­t zu erzwingen, sagt Flüchtling­shelferin Andrea Horvath von Migration Aid der Austria Presse Agentur. Doch es scheint nicht zu reichen, auf Twitter wird von Personen vor Ort um Wasser für die Flüchtling­e gebeten – darunter Kinder und stillende Mütter. In Budapest hat es gerade 34 Grad. (ksh)

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