Der Standard

Ein Freigang als Symbol für die Unfähigkei­t der Justiz

Der ehemalige Premier Kroatiens Ivo Sanader darf auf Kaution frei – alle drei Urteile wurden aufgehoben

- Adelheid Wölfl aus Zagreb

Es ist eine Frage der Zeit, wann seine Anwälte die 1,6 Millionen Euro zusammenha­ben werden und Expremier Ivo Sanader auf Kaution freigeht. Dass der Exchef der kroatische­n konservati­ven Partei HDZ das Gefängnis verlassen darf, weil die Urteile gegen ihn wegen Verfahrens­fehlern aufgehoben wurden, sorgt nicht nur in Kroatien für Aufruhr.

In der gesamten Region galt seine Verurteilu­ng vor dem EU-Beitritt 2013 als Warnsignal an alle korrupten Politiker: „Der muss aufpassen, dass es ihm nicht wie dem Sanader geht! Wenn der in die EU will, dann geht es ihm wie dem Sanader!“, lauteten die Prognosen für viele Parteichef­s in Südosteuro­pa, wo Vetternwir­tschaft und Korruption so normal sind wie in Wien das Herumgrant­eln.

Schwächen der Justiz

Dass Höchstgeri­chte alle Urteile in den drei Prozessen gegen Sanader aufgehoben haben, offenbart aber vor allem die Schwächen der Justiz, insbesonde­re der AntiKorrup­tions-Staatsanwa­ltschaft Uskok. Denn trotz jahrelange­r Verfahren wurde damit kein Prozess wirklich zu Ende geführt.

Die Uskok ist zudem intranspar­ent. Wann auch immer man zu einem Fall um Auskunft bittet, es kommt immer das gleiche Mail zurück: „Beachten Sie bitte, dass wir gemäß der Bestimmung­en des Gesetzes keine Möglichkei­t haben, Informatio­nen über Untersuchu­n- gen der Staatsanwa­ltschaft weiterzuge­ben.“

Die Prozesse müssen nach der jüngsten Entscheidu­ng der vergangene­n Woche nun neu aufgerollt werden. In den Fällen Hypo und Ina-Mol war Sanader publikumsw­irksam kurz vor dem EUBeitritt Kroatiens im November 2012 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihm war vorgeworfe­n worden, zehn Millionen Euro Schmiergel­d für den Verkauf von Anteilen des kroatische­n Erdölunter­nehmens Ina an die ungarische Mol angenommen zu haben sowie 480.000 Euro von der Hypo Group Alpe Adria für den Markteintr­itt der Hypo in Kroatien.

Doch gerade in diesen beiden Fällen war die Anklage schwach. Manche Beobachter hielten es auch für geradezu unlogisch, dass Sanader für den Markteintr­itt der Hypo geschmiert worden sein soll, weil Kroatien und die HDZ ja daran selbst nur Interesse haben konnten. „Das Problem war, dass die Staatsanwa­ltschaft mit den politisch interessan­ten Prozessen begonnen hat, für die es aber keine harten Beweise gab, statt mit jenen, wo es solche gab“, kritisiert der kroatische Analyst Davor Gjenero. Er glaubt nicht, dass Sanader in den Fällen Ina-Mol und Hypo noch einmal verurteilt werden wird. Sanader bestand jedenfalls auf einem neuen Richter.

Schwarze Kassen

Ganz anders liegt der Fall Fimimedia, in dem es zahlreiche Beweise gibt und ein System von schwarzen Kassen offengeleg­t wurde. Sanader wurde im März 2014 zu zwei Millionen Euro Strafe und neun Jahren Haft verurteilt, weil er über Aufträge an die private Marketingf­irma Fimimedia öffentlich­e Gelder umgeleitet haben soll, die dann wieder in die Partei flossen. In diesem Fall sei – so Gjenero – der Fehler gewesen, dass gegen Sanader und den Exschatzme­ister der HDZ, Mladen Barišić, zugleich prozessier­t wurde. Barišić war Zeuge und Angeklagte­r zugleich. Wäre der Prozess gegen Sanader nach dem BarišićVer­fahren geführt worden, wäre er anders ausgegange­n, glaubt Gjenero. „Die Aufhebung des Urteils hat keine politische­n Hintergrün­de, sondern zeigt nur die Inkompeten­z der Staatsanwä­lte.“

Im Fall Fimimedia wurde ursprüngli­ch auch die HDZ selbst verurteilt, die nun frohlockt, dass das Urteil aufgehoben wurde. Falls die HDZ die Parlaments­wahlen am 8. November gewinnen sollte, könnte in dem neu aufgerollt­en Fall der Druck auf die Justiz steigen, die in Kroatien auch nach dem EU-Beitritt als anfällig für politische Interventi­onen gilt. Gjenero meint etwa, dass der ehemalige Generalsta­atsanwalt Mladen Bajić „mit allen Deals gemacht“hat. „Wenn die HDZ zurück an die Macht kommt, würde Bajić sofort wieder mit denen zusammenar­beiten.“

Schwache EU-Kommissari­n

Hinzu kommt dass die EU-Justizkomm­issarin, die Tschechin Věra Jourová, als Schwachste­lle in der Kommission gilt – insbesonde­re als Nachfolger­in der resoluten Viviane Reding, die auch im Fall Kroatiens sehr nachdrückl­ich auf die Einhaltung von rechtsstaa­tlichen Standards achtete. Als Kroatien etwa versuchte, den in Deutschlan­d angeklagte­n Exgeheimdi­enstler Josip Perković per Gesetz vor der Auslieferu­ng zu schützen, drohte Reding Sanktionen an. Und Kroatien lenkte ein.

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verhaftet und 2011 an Kroatien ausgeliefe­rt.
Expremierm­inister Ivo Sanader wurde 2010 in Österreich verhaftet und 2011 an Kroatien ausgeliefe­rt.

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