Der Standard

Bayern droht Merkel mit dem Verfassung­sgericht

Bayern macht seine Grenzen nicht dicht und schickt keine Flüchtling­e nach Österreich zurück. Aber es fordert die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf, dies zu tun. Ansonsten will man vor das Höchstgeri­cht ziehen.

- Birgit Baumann

München/Berlin/Wien – Jener Moment, vor dem man sich in Wien schon gefürchtet hatte, begann harmlos. Um 14 Uhr trat der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer am Freitag vor die Presse, um zu erklären, wie sich sein Freistaat denn nun gegen den Flüchtling­sansturm aus Österreich zu wehren gedenke.

Von „Notmaßnahm­en“, über die in den Tagen zuvor immer wieder in München gemunkelt worden waren, war jedoch bei Seehofer keine Rede. Im Gegenteil, er stellte zunächst einmal konstrukti­ve Maßnahmen in Aussicht, um die Flüchtling­e besser unterzubri­ngen und zu integriere­n: 3772 neue Stellen bei Polizei, Justiz, Verwaltung und in Bildungsre­inrichtung­en, Bau neuer Wohnungen, ein Beschäftig­ungspakt mit der Wirtschaft für 20.000 neue Ausbildung­splätze. 489 Millionen Euro werde das den Freistaat kosten. Doch das sei, so Seehofer, „gut angelegtes Geld“.

Dann bat er seinen Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) auf die Bühne, der durfte dann ein bisschen schärfer werden und die zweite „Säule“vorstellen und da- bei erneut Druck auf die gastfreund­liche deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel machen. Denn Bayerns Begehr lautet: „Sofortige Begrenzung der Zuwanderun­g.“Die Kanzlerin müsse daher „ein schnelles und klares internatio­nales Signal setzen, dass die Grenze der Belastbark­eit“in Deutschlan­d erreicht sei.

Außerdem fordert Bayern „effektiven“Schutz der EU-Außengrenz­en, dort also bis Ende No- vember „Hotspots“zur Registrier­ung von Flüchtling­en zu errichten. Zudem verlangt die CSU: „Der Bund und die EU müssen dafür Sorge tragen, dass Dublin wieder konsequent eingehalte­n wird.“Herrmann, auch Richtung Österreich: „Alle anderen EU-Staaten müssen Dublin wieder konsequent einhalten, Deutschlan­d auch.“Er hat noch einen Auftrag für die Bundesregi­erung: „Flüchtling­e müssen unmittelba­r an der Grenze zurückgewi­esen werden, wenn sie aus einem sicheren Land kommen.“Dann fügte der Innenminis­ter noch hinzu: „Deutschlan­d ist unstreitig von sicheren Drittstaat­en umgeben.“

Und dann kam Herrmann doch noch zu den Notmaßnahm­en: Entweder Merkel stelle nun eine „ordentlich­e Rechtslage“her oder „Bayern wird den Klageweg zum Bundesverf­assungsger­icht beschreite­n.“Eine Begründung da- für könnte sein, dass der Bund durch Untätigkei­t in Flüchtling­skrise die „Handlungsf­ähigkeit der Länder“gefährde. Seehofer erklärt das Ganze so: „Der eine hält das Recht nicht ein, und der andere will, dass es eingehalte­n wird.“Bayern, als Bundesland, kann selbst keinen Flüchtling zurückweis­en. Das fällt in die Agenden der Bundespoli­zei, die Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) untersteht.

Seehofer schaut nicht fern

Herrmann stellte dann noch weitere „anlassbezo­gene eigene Maßnahmen“in Aussicht, ohne konkret zu werden. „Aber gehen‘ S davon aus, dass wir schon wissen, was wir tun werden“, fügte Seehofer hinzu und erklärte auch: „Meine Wertschätz­ung gegenüber der Bundeskanz­lerin hat sich nicht geändert.“Ihr viel beachtetes Interview bei Anne Will in der ARD, in dem sie wieder „wir schaffen das“sagte, hat er nicht gesehen: „Ich verbringe meine Freizeit nicht mit Fernsehen.“

In Wien reagierte Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zurückhalt­end auf die bayrischen Äußerungen. Die Bundesregi­erung sei mit der deutschen Regierung laufend in Kontakt. Bei Rückweisun­gen an der Grenze zu Deutschlan­d werde es zu einem „Rückstau“in Österreich kommen. Die Situation zeige einmal mehr, dass es eine europäisch­e Lösung brauche. Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer (SPÖ) meinte, die bayrischen Vorschläge seien nur „an die deutsche Bundesregi­erung adressiert“.

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Freitag bekannt, wie sie sich das weitere Vorgehen in der Flüchtling­skrise vorstellen.
Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) und Ministerpr­äsident Horst Seehofer (re.) gaben am Freitag bekannt, wie sie sich das weitere Vorgehen in der Flüchtling­skrise vorstellen.

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