Traiskirchner Probleme „nun im ganzen Land“
Flüchtlinge würden von Einrichtungen in Obdachlosigkeit geschickt, beklagen NGOs
Innsbruck – Es riecht nach warmem Abendessen und vielen Menschen. Vor dem Eingang zur Tennishalle nahe dem Innsbrucker Tivolistadion steht ein korpulenter Security-Mitarbeiter. Als der Standard dort abends unangekündigt ankommt, begrüßt er gerade einen Flüchtling mit freundschaftlicher Umarmung.
Einige Männer trinken Tee vor der Halle, jeder Einzelne grüßt freundlich, wenn jemand vorbeigeht. „Das Zusammenleben funktioniert problemlos, die Männer hier sind wahnsinnig dankbar“, sagt der Leiter der größten Flüchtlingsunterkunft Tirols. Überbelegung? Nein, derzeit seien noch einige Plätze frei.
Eine Familie muss das Lager dennoch vor Einbruch der Dämmerung wieder verlassen. In der Tennishalle werden derzeit nur männliche Flüchtlinge aufgenommen. Aus Sicherheitsgründen. Eigentlich müsste die Familie ohnehin zuerst in einer Bundeseinrichtung untergebracht werden, in einem der Verteilerzentren, die geschaffen wurden, um Traiskirchen zu entlasten. Doch dort herrscht gerade Aufnahmestopp, bundesweit. Hineingelassen werden nur „vulnerable Gruppen“. Eine Familie zählt nicht dazu, sobald ein Mann dabei ist.
Der Flüchtlingsdienst der Diakonie organisiert schließlich eine private Unterkunft für die Nacht – nachdem er von einem Mitarbeiter der Sicherheitsfirma ORS, die für den Bund die Betreuung ausübt, darum gebeten worden ist. Das ist nicht die Ausnahme, beklagen zahlreiche Flüchtlingsorganisationen: Würde die Zivilgesell- schaft nicht einspringen, gäbe es bereits ein riesiges Problem mit obdachlosen Flüchtlingen in ganz Österreich. Obwohl in vielen Notunterkünften Plätze frei sind.
Am Donnerstag hat die FPÖ im Tiroler Landtag eine Aktuelle Stunde zum Thema „Totalchaos im Flüchtlingswesen“einberufen. Wohl jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, wird zugeben, dass die Freiheitlichen mit ihrer Polemik nicht ganz unrecht haben. Es herrscht Asylchaos – nicht in den Versorgungszentren, sondern in der Verwaltung.
Bundesbetreuung vom Land
Die Probleme von Traiskirchen wurden durch die Verteilerzentren nun im ganzen Land verteilt“, sagt Michael Kerber von der Diakonie Tirol. Doch daran will niemand Schuld haben: Das Land Tirol übernimmt beispielsweise schon jetzt laufend Menschen, die von der Bundeseinrichtung aus Platzmangel abgewiesen werden.
„Das Innenministerium ist nicht in der Lage, seine eigenen Vorgaben zu erfüllen“, sagt Landesrätin Christine Baur (Grüne). Wenn die Länder genug Plätze schaffen, hätte sich das Problem erledigt, reagiert man im Innenministerium: „Neben den drei konkretisierten Projekten in Oberösterreich und Kärnten planen wir 15 weitere Unterkünfte mithilfe des neuen Durchgriffsrechts“, sagt Sprecher Karl-Heinz Grundböck.
In den Flüchtlingsorganisationen lässt man den Kompetenzwirrwarr als Ausrede nicht gelten: „Für die Menschen ist es völlig egal, wer zuständig ist. Die stehen auf der Straße. Es kann doch nicht sein, dass es im Tourismusland Tirol mit 44 Millionen Nächtigungen im Jahr nicht gelingt, Menschen ein Bett zur Verfügung zu stellen“, sagte Kerber.