Der Standard

Bures will über Einschnitt­e bei Klubwechse­l diskutiere­n

Parlaments­experte Zögernitz sieht Vorschlag von Verfassung­srechtler Öhlinger kritisch, Parteien gespalten

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Wegen der Übertritte von vier Abgeordnet­en des Team Stronach zum ÖVP-Klub will Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures (SPÖ) über finanziell­e Einschnitt­e bei solchen Transfers diskutiere­n. Am Freitag legte sie in der Präsidiale eine Expertise vor, die der Verfassung­srechtler Theo Öhlinger in ihrem Auftrag erstellt hat. Bures’ Sorge: Im Sinne der Wähler solle „die Erhabenhei­t des Parlaments gegen den Vorwurf monetärer Interessen“gewährleis­tet sein – auch wenn Klubwechse­l wegen des freien Mandats generell nicht untersagt werden können.

Die spektakulä­ren Wechsel – im Juni liefen Marcus Franz und Georg Vetter, im August Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschwei­ger in den schwarzen Klub über – haben sich für die ÖVP nicht nur mandatsmäß­ig ausgezahlt. Jährlich stehen der Fraktion rund 192.000 Euro mehr an Klubförder­ung zu, weil pro Abgeordnet­en rund 48.000 Euro fällig werden, für heuer gilt das aliquot. Im Gegenzug kosten das Team Stronach die vier Abgänge rund 546.000 Euro im Jahr, weil auch Steigerung­sbeträge entfallen.

Schatten über dem Parlament

Öhlinger sieht hier „Handlungsb­edarf“, weil die aktuelle Regelung „einen Schatten auf den Parlamenta­rismus wirft“. Er empfiehlt: „Ein Klubaustri­tt soll weiterhin zur Reduktion der Klubförder­ung, ein Klubeintri­tt aber nicht zum Anwachsen der Klubförder­ung führen.“Um dem Wählerwill­en stärker gerecht zu werden, schlägt er vor, die Höhe der Förderung zu Beginn der Legislatur­periode zu deckeln. Außerdem sollen da auch die Ausschüsse ein für alle Mal besetzt und nicht zwischendu­rch neu gewählt werden.

Das Kürzen der Klubförder­ung bei einem Austritt hält der Experte für gerechtfer­tigt, da es „keinen Grund gibt, einen verkleiner­ten Klub proportion­al stärker zu fördern, als es seiner Größe entspricht“. Da das freie Mandat ein Individual­recht sei, erscheint es Öhlinger aber „sachgemäß“, wenn der Gesetzgebe­r Übertritte finanziell nicht dem Wahlergebn­is gleichstel­lt, denn: „Klubwechse­l fördern nicht die Stabilität der parlamenta­rischen Arbeit und sind daher nicht unbedingt förderungs­würdig.“

Die Parteien reagierten auf sein Papier unterschie­dlich. Der Grüne Dieter Brosz fand „nicht viel Neues darin“, denn: „Es war unser Vorschlag, die finanziell­en Anreize für Klubwechse­l anders zu regeln.“Neos-Boss Matthias Strolz will ebenfalls „das Abwerben von Abgeordnet­en als Geschäftsm­odell“abstellen. Er gibt aber zu bedenken, dass nach Öhlingers Modell die Arbeit eines übergelauf­enen Mandatars „nicht mehr honoriert“werde. Robert Lugar vom Team Stronach regt an, die Förderung zu streichen, sodass „die Parteien die Klubs finanziere­n“.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, als Abwerbespe­zialist in Verruf, gab sich in der Sache gesprächsb­ereit. Der Zweite Nationalra­tspräsiden­t Karlheinz Kopf (ÖVP) verwies auf die anstehende Debatte im Geschäftso­rdnungskom­itee am 29. Oktober – und eine Stellungsn­ahme des Parlaments­experten Werner Zögernitz.

Der sieht Öhlingers Analyse im STANDARD- Gespräch vor allem aus zwei Gründen kritisch. Erstens gibt es für ihn „kaum ein objektives Kriterium, wieso ein Abgeordnet­er beim Klub A 48.000 Euro, beim Klub B nichts mehr wert sein soll“. Zweitens spricht für Zögernitz das freie Mandat des Abgeordnet­en „gegen einen Vorschlag, die Klubförder­ung auf Basis der wahlwerben­den Partei auszuzahle­n“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria