Und am Ende der Straße steht ein Haus am See
Ein Gebäudekomplex in Neusiedl am See ist, olympisch gesehen, die wohl wichtigste Stätte im heimischen Sommersport. Georg Fundak legt hier, im Bundesleistungszentrum, die Basis für Österreichs Segelerfolge. Ein Besuch.
Neusiedl/See – Gar nichts geht mehr auf dem kleinen Boot, das Segel schlägt hin und her, irgendetwas hat sich verkeilt. Doch der achtjährige Christopher kommt gar nicht dazu, wirklich Angst zu kriegen. Als Christopher den Kopf einzieht, ist Andreas Geritzer schon zur Stelle. Geritzer stellt sein Motorboot längs neben Christophers „Optimisten“, hält mit einer Hand den Masten des Segelboots gerade, zwei Griffe mit der anderen Hand, das Segelschlagen hat ein Ende, und Christophers Boot nimmt wieder Fahrt auf. Geritzer entspannt sich, der Rest seiner kleinen Flotte ist gut unterwegs. Von einer Boje zur anderen und wieder retour.
Es ist Dienstagnachmittag, und Geritzer hat fünf „Optimisten“, die kleinsten aller Segelboote, sowie zwei etwas größere „Laser“auf dem Wasser. Dienstag ist Hauptkurstag bei der WSA, der Watersportacademy Neusiedl am See, die Geritzer heuer im Februar gegründet hat. Ziel des Vereins ist es, „Kindern einen leichten Zugang zum Wassersport zu ermöglichen“. Im Winter wird auch geturnt und eisgelaufen. Geritzer (37), der WSA-Obmann, will „einen breiten Input geben“. Er ist einer, zu dem die Kinder aufblicken können, 2004 (Athen) holte er Olympia-Silber im Laser, seit 2009 ist er staatlich geprüfter Trainer für Segeln und Surfen. 20 Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren sind derzeit WSA-Mitglieder, die meisten stammen aus Neusiedl und Umgebung und kommen mit dem Rad zum Training, zwei werden von den Eltern aus Wien zum See gebracht.
„Wir haben dieses Juwel, den Neusiedler See, vor der Tür“, sagt Geritzer. „Und wir haben das wunderbare Leistungszentrum.“Sein Container, den er am Ende der Seestraße neben dem Strandbad Neusiedl mit seinem Equipment angeräumt hat, grenzt an jenen Gebäudekomplex an, der die Basis für österreichische Segelerfolge darstellt. Wobei, eigentlich ist es umgekehrt. „Unsere Erfolge waren das Fundament für das Leistungszentrum“, sagt Georg Fundak, der Sportdirektor des Segelverbands (ÖSV). Schließlich muss immer erst etwas passieren, damit etwas passiert.
Fundak, gebürtiger Ungar, segelte 1984 seine letzte Regatta, er hat in Budapest Hochbau und Statik studiert, ist Zivilingenieur. 1986 heuerte er in Österreich an, er war Jugendtrainer, Bundestrainer, Sportkoordinator, er wurde Medaillenhamster. In die FundakÄra fallen bis dato drei olympische Goldmedaillen – 2000 und 2004 durch Roman Hagara und Hans Peter Steinacher im Tornado, 2000 durch Christoph Sieber im Mistral-Windsurfen – sowie Geritzers Silberne.
Hoffnung auf Medaillen
2012 verpassten Nico DelleKarth und Niko Resch als 49erVierte eine Medaille nur knapp, sie werden auch 2016 in Rio de Janeiro unter den Anwärtern sein, ebenso wie die 470er-Besatzungen Lara Vadlau und Jolanta Ogar sowie Matthias Schmid und Florian Reichstädter. Die Segler, das steht fest, sind am ehesten dazu in der Lage zu verhindern, dass sich Österreichs Medaillen-Nullnummer von 2012 wiederholt. Manche sagen, die Segler sind die einzigen Hoffnungsträger. Fundak (62) sagt, er verspüre keinen übermäßigen Druck, und er gibt sich selbstbewusst. „Wir haben einige Boote, die bei allen Bedingungen das Zeug haben, ganz vorn zu landen. Und wir haben zusätzlich auch Boote, die bei bestimmten Bedingungen ganz nach vorne kommen können.“
Ohne das Bundesleistungszentrum (BLZ) wäre Vieles nicht möglich gewesen. 2001, im Jahr nach den zwei Olympiatiteln, wurde seine Errichtung beschlossen, am 1. September 2002 erfolgte der Spatenstich, am 16. Mai 2003 wurde feierlich eröffnet. Stadt, Land und Bund teilten sich die Baukosten von 1,82 Millionen Euro. Fundak führt durch die Räumlichkeiten und erklärt, dass demnächst angebaut werden soll. Dann zieht auch das Sekretariat ein, das derzeit in einiger Entfernung weiter oben an der Seestraße in einem separaten Büro untergebracht ist. Seit jeher verfügt die Anlage über diverse Büroräume, hier sitzen Roland Regnemer, der BLZ-Leiter, und Peter Wagner, der BLZ-Gute- Geist, ein Techniker, Sound- und überhaupt Checker.
Natürlich gibt es eine Kraftkammer, eine Werkstatt, Sanitärräume. Was die Aussicht betrifft, ist der Barbereich samt Terrasse quasi Zentrum des Zentrums. Doch besonders stolz ist Fundak auf die Halle, in der die Boote stehen. Sie ist 15 Meter hoch, wurde danach ausgerichtet, dass sich ein aufgeriggter Tornado hineinschieben lässt, ist nicht nur so gesehen einzigartig in Österreich. Stephan Schurich, selbst Spitzensegler, war der zuständige Architekt. „Die Atmosphäre herinnen ist wichtig“, sagt Fundak. „Die Sportler müssen sich wohlfühlen.“
Unmittelbar vor der Halle lässt sich in See stechen, dafür gibt es gleich drei Slipanlagen, schließlich kommt der Wind nicht immer aus derselben Richtung. Und weil er sich auch manchmal legt, der Wind, und es dunkel wird, finden in der Halle auch größere Abendevents statt. Dann werden die Boote hinausgeschoben, und bis zu 300 Menschen finden Platz.
Draußen ist ein Kurs zu Ende gegangen, die Schützlinge von Andreas Geritzer legen wieder an. Sie schieben ihre kleinen Boote zurück in die Halle, dann treffen sie sich oben auf der Terrasse zur Nachbesprechung bei einem Kracherl. Geritzers Ehrgeiz ist es nicht, künftige Spitzensegler herauszubringen, verhindern würde er es natürlich nicht.
Fundak denkt über Rio hinaus, er denkt an die Spiele 2020 in Tokio, denkt an die Spiele 2024, deren Austragungsort noch nicht feststeht. „Der Segelsport wird sich stark verändern“, sagt er. „Er wird näher zu den Zusehern, näher ans Ufer rücken, er wird mehr Spektakel fürs Fernsehen liefern. Die Boote werden sich verändern, andere Klassen werden olympisch sein.“Oft hat Fundak gehört, die Segler hätten Glück gehabt, doch so oft, wie die Segler erfolgreich waren, sagt er, können sie nicht Glück gehabt haben.
Vielleicht ist es das Glück der Segler, dass einer vorausdenkt, vielleicht ist es das Glück, dass ein anderer mit Kindern segeln geht. Georg Fundak legt in der Halle seine Hände auf einen 49er und einen in Karton verpackten Mast. Ob dies das Boot ist, mit dem Delle-Karth und Resch in Rio eine Medaille holen? „Könnte sein“, sagt Fundak. „Hoffen wir es.“