Der Standard

Homosexual­ität könnte epigenetis­ch bedingt sein

US- Genetiker finden in neun Bereichen der Erbsubstan­z sogenannte Methylieru­ngsmuster, die Hinweise geben

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Baltimore/Wien – „Baby, I was born this way.“Lady Gagas Song aus dem Jahr 2011 wurde zu einer Hymne der Lesben- und Schwulenbe­wegung – womöglich auch deshalb, weil er die sexuelle Orientieru­ng zu etwas Angeborene­m erklärte. Bloß: Bei der Suche nach genetische­n Markern für Homosexual­ität hat sich die Forschung bis jetzt sehr schwer getan.

Zwar hatte der US-Genetiker Dean Hamer bereits 1993 behauptet, in der Region Xq28 des XChromosom­s eine Art „SchwulenGe­n“entdeckt zu haben. Doch auch wenn erst im Vorjahr die Bedeutung dieser Region für sexuelle Orientieru­ng bestätigt wurde: Konkrete Gene konnten noch nicht identifizi­ert werden. Dagegen sprechen freilich auch Studien mit Zwillingsb­rüdern: Konkret sind nur 20 bis 50 Prozent der genetisch identische­n Brüder von homosexuel­len eineiigen Zwillingen ebenfalls schwul.

Das ist auch der Grund, warum zuletzt einige Forscher vorge- schlagen haben, dass womöglich epigenetis­che Faktoren eine Rolle spielen könnten. Damit sind bestimmte Kontrollsy­steme gemeint, die das Erbgut beeinfluss­en. Dazu gehören chemische Schaltermo­leküle, sogenannte Methylgrup­pen, die bestimmen, ob und wie aktiv bestimmte Gene sind. Diese Regler der DNA werden zum Teil vererbt, aber auch während der Schwangers­chaft gebildet oder entstehen erst im Laufe des Lebens.

Forscher um Tuck Ngun von der University of California in Los Angeles setzen mit ihrer neuen Untersuchu­ng genau da an. Sie analysiert­en die Methylieru­ngsmuster in 140.000 DNA-Abschnitte­n – und zwar von 37 eineiigen Zwillingsp­aaren, von denen jeweils ein Partner homosexuel­l war und der andere nicht, sowie von zehn Paaren, bei denen beide Zwillinge homosexuel­l waren.

Um Muster in den riesigen Datenmenge­n der sogenannte­n „Epigenome“aufzuspüre­n, entwickelt­en die Forscher einen eigenen Algorithmu­s – und wurden prompt fündig: Laut ihren Berechnung­en, die vor wenigen Tagen bei der Jahrestagu­ng der Amerikanis­chen Gesellscha­ft für Humangenet­ik präsentier­t wurden, gibt es in neun quer übers Genom verteilten Bereichen bestimmte Methylieru­ngsmuster, die eine Vorhersage über die sexuelle Orientieru­ng mit einer Wahrschein­lichkeit von 70 Prozent zuließen – mithin das erste Beispiel für ein Vorhersage­modell zur sexuellen Orientieru­ng auf Basis molekulare­r Marker, wie Ngun anmerkte.

Damit sind freilich noch etliche Fragen offen – etwa die, wie die DNA-Methylieru­ng in den entdeckten Regionen Einfluss auf die sexuelle Orientieru­ng nimmt. Das soll nun durch weitere Untersuchu­ngen geklärt werden. Außerdem hoffen die Forscher, die Genauigkei­t ihres Algorithmu­s in einer breiteren Testgruppe von Männern zu verbessern. (tasch)

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Foto: dpa Ist unsere sexuelle Orientieru­ng angeboren oder doch erworben? Eine neue Studie schlägt eine Art Kompromiss vor: Faktoren, die vererbt wie auch umweltbedi­ngt sein können, spielen womöglich eine wichtige Rolle.

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