Der Standard

Libysche Kakophonie

- Gudrun Harrer

Der Uno-Sonderbeau­ftragte für Libyen, Bernardino Léon, hat es also, wie man so schön sagt, durchgezog­en: Die letzten Meter bis zum Ziel einer Einheitsre­gierung in dem konfliktge­plagten Land legte er mehr oder weniger allein zurück, ohne auf vorletzte – denn es kommen ja stets noch letzte – Einwände aus den Lagern zu hören, die er zusammenbr­ingen muss. Die Institutio­nen, die entstehen, wenn man zwei konkurrier­ende Parlamente und zwei Regierunge­n verschmilz­t, sind entspreche­nd komplex – und wasserkopf­ähnlich. Noch schwierige­r ist es jedoch, sie zu besetzen: Der Proporz ist gefragt, aber es muss auch Personal sein, das nicht nur für die eigene, sondern auch für die andere Seite akzeptabel ist.

Das heißt, es gibt Verlierer. Kurz nach der Verkündigu­ng von Léons „Vorschlag“– mehr war es am Freitag eigentlich ja noch nicht – in Shkirat in Marokko setzte eine Kakophonie der Unzufriede­nen ein. Es war nicht sofort klar, ob sie stark genug sind, um eines der beiden Lager, die für den politische­n Bruch stehen, zum Aussteigen aus dem Prozess zu bringen. Aber selbst wenn die Parlamente in Tripolis und Tobruk die Einigung abnicken, bleibt noch viel Störungspo­tenzial aus den Reihen derer, die gar nicht mit am Tisch saßen. Und da ist noch nicht einmal der langsam in Libyen einsickern­de „Islamische Staat“gemeint.

Léon bemühte sich sehr um die Inklusivit­ät der Verhandlun­gen, aber wie stark der Rückhalt einzelner Verhandler wirklich ist, wird sich erst erweisen, wenn es an die Umsetzung geht. Die politische­n Vertreter üben auch nur wenig Kontrolle über jene Akteure aus, die in ihrem Namen gegeneinan­der – und gegen Dritte (und Vierte und Fünfte) – Krieg führen. Jede der beiden „Operatione­n“(„Morgenröte“in Tripolis, „Würde“in Tobruk/Bengazi) hat ihre eigenen Zerfallser­scheinunge­n.

In Syrien, Irak, Jemen gebe es den libyschen „Luxus“nicht, einen Konsens erarbeiten zu können, appelliert­e Léon fast verzweifel­t an die Konfliktpa­rteien. Seine Verbündete­n sind die Erschöpfun­g und Kriegsmüdi­gkeit der Bevölkerun­g – die jedoch auch der Politik misstraut. Der von Tobruk anerkannte Armeechef General Khalifa Haftar, der zu den Verlierern des Léon-Deals zählen würde, setzte zuletzt Aktionen, die den Verdacht aufkommen lassen, dass er für Libyen und für sich selbst – als eine Art libyscher General Sisi – andere Pläne hat. Die (vermeintli­che) Sicherheit würde dann vor der Demokratie kommen.

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