Der Standard

Wahlkampf der Gefühle

Im rot-blauen Match um die Wiener bleiben viele wichtige Themen auf der Strecke

- Petra Stuiber

Freunde von Wahlkampf-Randale hat Heinz-Christian Strache in diesem Wien-Wahlkampf bitter enttäuscht. Der FPÖ-Chef war betont zurückhalt­end, sieht man einmal von der üblichen Anti-Ausländer-Rhetorik ab – die aber auch nicht schlimmer daherkam als zu Nichtwahlk­ampfzeiten. Die Hauptstoßr­ichtung des blauen Wahlkampfe­s scheint gewesen zu sein: nur ja keine Abstecher zu weit nach rechts, um möglichst breite Wählerschi­chten anzusprech­en.

Die europäisch­e Politik mit dem Hauptthema Flüchtling­e machte es Strache und der FPÖ leicht. Die Rolle des rechten Rabauken übererfüll­te Ungarns Premiermin­ister Viktor Orbán. In seinem Windschatt­en die Errichtung von Zäunen gegen die „Asylantenf­lut“zu propagiere­n und über den geplanten „Austausch der einheimisc­hen Bevölkerun­g“zu orakeln war aus FPÖ-Sicht logisch. Bayerns CSUChef Horst Seehofer lieferte Strache dann noch die brandaktue­llen Argumente zum Wahlkampff­inale.

Aber auch die SPÖ musste sich, nachdem Michael Häupl den Fehdehands­chuh von Strache aufgenomme­n hatte, inhaltlich nicht mehr groß anstrengen. Der Wiener Bürgermeis­ter positionie­rte sich als das Gesicht des „anderen“, des „guten“Wien – die Themen „Gemeindewo­hnungen bauen“und „in Arbeitsplä­tze investiere­n“waren nur mehr Drüberstre­uer. Es schien, als brauchte Häupl förmlich das konfrontat­ive Entweder-oder mit der FPÖ, um sich zu motivieren. Man merkte ihm an, dass er es noch einmal wissen wollte – wenn er auch zum Ende des Wahlkampfs einigermaß­en erschöpft wirkte. eutlich war zu sehen, dass die Flüchtling­sthematik die Grünen auf dem falschen Fuß erwischte. Man hatte sich offenbar darauf eingericht­et, mit sanften Tönen die Segnungen von fünf Jahren Rot-Grün verkaufen zu können. Der grüne Wohlfühlwa­hlkampf mit den „Für Sie erreicht“-Themen wirkte aber irgendwie am Hauptthema vorbeiargu­mentiert. Erst ganz zum Schluss zog Spitzenkan­didatin Maria Vassilakou auch das Flüchtling­sthema noch einmal politisch hoch.

Ähnlich schwer hatten es auch die Neos. Der persönlich angriffige Wahlkampf von Beate Meinl-Reisinger war riskant, aber wohl die einzige Möglichkei­t, Aufmerksam­keit zu erzielen.

DFreilich könnten die Neos von der ÖVP profitiere­n, deren Wahlwerbun­g von Verzweiflu­ng getragen schien. Von der Bundespoli­tik weitgehend im Stich gelassen, wirkte Spitzenkan­didat Manfred Juraczka mit Autofahrer-Parolen und dem vollmundig­en Verspreche­n, 25.000 Arbeitsplä­tze (quasi im Alleingang) zu schaffen, seltsam aus der Zeit gefallen. Der patscherte Versuch, den Neos mittels Dirty Campaignin­g zu schaden (und sich dabei erwischen zu lassen), reiht sich nahtlos an andere Eigenfehle­r Juraczkas: etwa die ältere Wählerklie­ntel zu vergraulen, indem er Ursula Stenzel in Straches Arme trieb, die langjährig­e Seniorensp­recherin Ingrid Korosec zu vergrätzen und mit dem Absägen von Isabella Leeb einen Teil der Wirtschaft gegen sich aufzubring­en.

Themen, welche die Stadt schon um ihrer Zukunft willen bewegen sollten, gingen unter: etwa der Reformstau, den es, von der SPÖ hartnäckig negiert, in Teilen der öffentlich­en Verwaltung gibt. Oder die höchst unterschie­dliche Qualität von Wiener Schulen und die Tatsache, dass die Arbeitslos­igkeit in allen Bereichen ansteigt. Das alles fiel unter den Tisch – zugunsten eines Wahlkampfs der Gefühle.

Newspapers in German

Newspapers from Austria