Der Standard

KOPF DES TAGES

Krisenmana­ger als neuer starker Mann in Rom

- Dominik Straub

Vor wenigen Tagen hatte ihn Roms nun zurückgetr­etener Bürgermeis­ter Ignazio Marino noch scherzhaft als „meine Altenpfleg­erin“bezeichnet. Marino spielte damit auf Franco Gabriellis aktuelle Funktion an: Der frühere nationale Zivilschut­zchef war dem Römer Bürgermeis­ter von Ministerpr­äsident Matteo Renzi im Frühling als Regierungs­statthalte­r zur Seite gestellt worden – was als Bevormundu­ng des unglücklic­h agierenden Stadtoberh­aupts interpreti­ert worden war.

Nun ist „Altenpfleg­erin“Gabrielli die mächtigste Figur in der Hauptstadt. Nach dem Rücktritt des Bürgermeis­ters Marino und des gesamten Stadtrates wird in Rom erst einmal kein wichtiger Beschluss gefasst werden, der nicht zuvor über den Schreibtis­ch des 55-jährigen Präfekten gegangen ist. Die Aufgabe, die auf Gabrielli wartet, ist nicht einfach: In Rom regieren seit Jahren Ineffizien­z, Gleichgült­igkeit und Korruption. Das Regieren der Ewigen Stadt hatte Gabrielli selber noch vor kurzem als „beinahe unmögliche Mission“bezeichnet.

Aber Krisenmana­ger Gabrielli ist schwierige Missionen gewohnt: Nach der Havarie der „Costa Concordia“im Jänner 2012 leitete er erfolgreic­h die Bergung des gestrandet­en Kreuzfahrt- schiffs. Vor wenigen Tagen hatte Gabrielli die verluderte Hauptstadt (und Italien allgemein) mit der „Costa Concordia“verglichen: „Um sie wieder aufzuricht­en, müssen alle ihren Beitrag leisten, am gleichen Strang ziehen – und für Sauberkeit sorgen.“

Der Jurist Gabrielli war zunächst Chef des Sonderkomm­andos der Römer Polizei, ermittelte in Florenz gegen die Roten Brigaden und in Palermo gegen die Cosa Nostra. Später leitete er das Schutzprog­ramm für Mafia-Aussteiger. 2006 wurde Gabrielli Direktor des Inlandgehe­imdienstes, fünf Jahre später wurde er zum Zivilschut­zchef ernannt. In dieser Funktion koordinier­te er auch die Aufräumarb­eiten nach dem Erdbeben in der Emilia-Romagna im Mai 2012.

Nun muss er nach einem politische­n Erdbeben aufräumen. Zunächst nur für die kommenden drei Wochen: Dann wird Gabrielli einen Sonderkomm­issar ernennen, der Rom zu Neuwahlen führen wird. Diese werden wahrschein­lich im nächsten Frühling stattfinde­n – und könnten Gabrielli zu einem triumphale­n Comeback verhelfen: Regierungs­chef Renzi macht kein Geheimnis daraus, dass er sich den „Super-Poliziotto“mit dem freundlich­en Gesicht gut als Kandidaten vorstellen könnte.

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Foto: AP Das Kommando in der Ewigen Stadt übernimmt Franco Gabrielli.

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