Bayerns Löwe pfaucht
Er hat es nicht leicht in diesen Tagen, der bayerische Löwe in Gestalt der erbosten CSU. Bitte, wenn er etwas zu sagen hätte in der ganzen Flüchtlingsfrage, dann sähe die Sache ganz einfach aus. Kein einziger Flüchtling würde mehr auf bayerischen Boden gelangen.
An den Grenzen würden die Polizisten nämlich freundlich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass die Flüchtlinge zurückmüssen: entweder nach Griechenland oder nach Ungarn, weil sie dort zuerst EU-Boden betreten haben. Oder nach Österreich, weil das ein sicherer Drittstaat ist. Rechtlich wäre das alles gedeckt, heißt es in München.
Aber das ist ja das Problem der Bayern. Sie haben so vieles: ein schönes Wirtschaftswachstum, ein Selbstbewusstsein, dass es die Hälfte auch täte, einen wahnsinnig tollen und erfolgreichen Fußballclub, ein Oktoberfest. Aber eines fehlt ihnen: eine Bundespolizei, die zur Sicherung der Grenzen und für die Zurückweisung der Flüchtlinge zuständig ist. Die nämlich „gehört“dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), und der steckt bekanntlich – was die Gastfreundschaft betrifft – mit Kanzlerin Angela Merkel unter einer Decke.
Das macht den bayerischen Löwen wütend, daher bläst er sich seit Tagen auf und schwafelt von „Notmaßnahmen“. Hier allerdings hört der Spaß auf. Notmaßnahmen – das klingt, als müsste sich Bayern gegen einen schrecklichen Angriff wehren. Solch Rhetorik ist angesichts der schwierigen Lage unverantwortlich. Sie bedient übelste Klischees am Stammtisch auf Kosten der Allerschwächsten.
Sehr viel weniger markig war hingegen die Drohung der CSU, sie werde – wenn Merkel nicht für Ordnung sorge – vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um ebenjene Ordnung dort zu erzwingen. In Wien kann man ob dieses Pfauchens zunächst einmal gelassen bleiben. Bayern hat am Freitag keine Maßnahmen ergriffen, die sofort tausende Flüchtlinge zurück nach Österreich gebracht hätten.
Für Merkel ist die Angelegenheit deutlich unangenehmer. Natürlich ist seine Drohung mit dem Gang vor das Höchstgericht eine Kampfansage, wenngleich eine mit Anlauf, da Merkel ja noch Zeit bleibt und in Karlsruhe eine Entscheidung auch nicht über Nacht gefällt wird. Doch die Drohung vergrößert ihr Dilemma, und dieses lautet: Nicht nur die CSU legt sich quer. Auch immer mehr Deutsche wollen ihrem liberalen Kurs nicht mehr folgen, weil sie der Meinung sind: Wir schaffen das dann doch nicht.