Mit Bedacht in die vierte industrielle Revolution
Die digitale Welt wächst rasant – und macht vor der Industrie der Zukunft nicht halt. „Industrie 4.0“ist der Wendepunkt in der industriellen Fertigung. Doch noch scheint das mitunter eine „Reise“ins Ungewisse zu sein.
Linz – Die angestrebte vierte industrielle Revolution birgt nicht nur enormes Potenzial, sondern auch Herausforderungen, die neben der Wirtschaft auch Forschungseinrichtungen und Hochschulen betreffen.
Experten aus ebendiesen Bereichen diskutierten am Mittwochabend beim „IT-Talk: Industrie 4.0“, zu dem die Fachhochschule Hagenberg gemeinsam mit dem Standard auf den Campus lud. Das Audimax war bis auf den letzten Platz gefüllt, auf dem Podium fanden sich ein: Dekan Berthold Kerschbaumer (Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien), Michael Affenzeller (FH Hagenberg, Institut für intelligente Produktion), Werner Freilinger (HR-Manager, SKF Österreich AG), Thomas Führer (Standortleiter der Stiwa Group in Hagenberg), Joachim Haindl-Grutsch (GF Industriellenvereinigung OÖ), Walter Schickmaier (Bereichsleiter Informationsmanagement und Managementsysteme, Voestalpine Stahl GmbH) und Markus Schutti (SiteManager der österreichischen Intel-Niederlassung). Aus Sicht der Hochschulen erachtet Kerschbau- mer in Zusammenhang mit der Industrie von morgen die Schlagwörter „Gesamtsystemsicht“und „Spezialisierung“als entscheidend. Diese „Bipole“gelte es „unter einen Hut“zu bringen. Kerschbaumer: „Das ist die große Herausforderung für die Hochschulen. Einerseits braucht man hochspezialisierte Personen, andererseits funktioniert es nur, wenn jemand die Gesamtzusammenhänge erkennen und verstehen kann.“
Unbegründete Ängste
Die bestehenden Ängste, dass „Industrie 4.0“Fabrikshallen zu menschenleeren Orten macht, in denen Roboter und Sensoren regieren, kann IV-Geschäftsführer Haindl-Grutsch nicht nachvollziehen: „Ich erinnere an die Zeit, zu der in Österreich 40 Prozent der Menschen körperlich gearbeitet haben – heute sind es zwei Prozent. Haben wir deswegen Massenarbeitslosigkeit? Nein. Das Gegenteil ist der Fall, es gab etwa noch nie so viele Jobs in Oberösterreich.“Die Angst vor dem Neuen sei eben nicht neu.
SKF-Personalmanager Freilinger bleibt in Zusammenhang mit „Industrie 4.0“betont vorsichtig: „Wir wissen nicht ganz genau, was kommt – aber die Frage ist: Wie bereiten wir uns darauf vor?“Beim Anforderungsprofil gibt es jedenfalls klare Vorstellungen: „Wir brauchen die Leute, die die Gabe und die Ausdauer haben, Dinge zu lösen, die ganz schwierig sein werden. Kreativität und Adaptivität müssen die Stärken sein. Die Vernetzung ist das Gebot der Stunde. Es geht um die Lust, knackige Aufgaben zu lösen.“
„Es geht bei ‚Industrie 4.0‘ ganz klar um die Technologie an der Schnittstelle von Hardware und Software“, führte Intel-Manager Schutti aus. Daher brauche es künftig vermehrt Experten, die sich „in beiden Welten orientieren können“. De facto werde es aber „immer schwieriger“, entsprechende Leute zu finden.
Kein „Facebook der Dinge“
Stiwa-Standortleiter Führer erachtete als entscheidend, dass „Industrie 4.0“nicht zum „Selbstzweck“werde, sondern „wertschöpfend“sei. Führer: „Es muss einen Sinn haben, warum sich die Dinge vernetzen. Das schlimmste wäre ein Facebook der Dinge. Ich sehe die Wertschöpfung in der Reduktion von Stückkosten und der Schaffung neuer Märkte durch individualisierte, flexible und ‚IT-fizierte‘ Serienprodukte.“
Im Bereich der Großindustrie steht man der Entwicklung durchaus wohlwollend gegenüber: „Wir glauben, dass da was drin ist. Vollautomatisierte Produktionsprozesse sind in der Stahlindustrie nicht mehr wegzudenken. Was mit ‚Industrie 4.0‘ gelingen kann ist, neue und andere Dinge mit anderen Sichtweisen zu ermöglichen“, führt Voest-Bereichsleiter Schickmaier aus. „Die Komplexität der Aufgabenstellungen wird deutlich steigen. ‚Industrie 4.0‘ benötigt auch den ‚Mitarbeiter 4.0‘.“
FH-Professor Affenzeller schätzt die Hagenberger Absolventen als bestens dafür gerüstet ein: „Im Bereich der IT sind wir es ja gewöhnt, dass wir unsere Inhalte in sehr regelmäßigen Abständen überdenken müssen – weil sich die Materie so rasch verändert. Und mit dem Thema ‚Industrie 4.0‘ beschäftigen wir uns schon lange. Relevantes Know-how und entsprechende Experten zur Verfügung zu stellen wird für uns also kein Problem sein.“