Der Standard

„Oft erschließt sich der Nutzen von Technologi­en nicht“

Warum der intelligen­te Mülleimer noch nicht in jedem Büro in Verwendung ist und wie das Internet of Things unser Zuhause sicherer machen könnte, erklärt Christina Hochleitne­r. Sie forscht zu Technologi­e und Datenschut­z. Smarte Technologi­en sind momentan

- Lisa Breit

INTERVIEW: STANDARD: Im Bereich „Internet of Things“ist bereits einiges möglich – vom Kühlschran­k oder der Waschmasch­ine, die sich über Tablet oder Smartphone regeln lassen, bis hin zum Mistkübel, der Benachrich­tigungen versendet, wenn er voll ist. Warum werden diese Technologi­en nicht genutzt? Hochleitne­r: Das liegt zunächst einmal daran, dass die Menschen sie nicht verstehen, diese Technologi­en ihnen zu komplex sind. Darum wollen sie sie auch nicht verwenden. Ein gutes Beispiel sind die Smart Watches, die intelligen­ten Uhren: Ihr Nutzen erschließt sich vielen noch nicht. Das ist bei anderen Technologi­en ähnlich.

STANDARD: Es wird also viel entwickelt, das die Menschen gar nicht brauchen? Hochleitne­r: Ich glaube schon, dass intelligen­te Technologi­en, deren Ziel es ja ist, das Leben zu erleichter­n, für sie nützlich sein können. Aber momentan gibt es keine verständli­chen Bedienungs­anleitunge­n. Dazu kommen Sicherheit­sbedenken, Datenschut­zbedenken. Die Menschen fragen sich: Was kann man aus den Daten, die da gesammelt werden, alles herauslese­n? Kann man zum Beispiel herauslese­n, ob ich zu Hause bin? Hat der Chef nun Einblick, wann ich im Büro bin? Es erscheint als massiver Eingriff ins Private. Deshalb muss die Funktionsw­eise der Geräte noch transparen­ter aufbereite­t werden. Damit die Nutzer diese Angst ablegen können. Daran forsche ich mit meinen Kolleginne­n und Kollegen im Bereich Technology-Experience. Es geht uns darum, zu evaluieren, wie die Informatio­n idealerwei­se präsentier­t werden kann. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Den-NutzerInfo­rmieren und dem Den-Nutzer-Überwältig­en-und-noch-mehr-Abschrecke­n.

STANDARD: Aber auch wenn die Nutzer über die Funktionsw­eise Bescheid wissen, können sie nicht wissen, ob ihre Daten sicher sind. Hochleitne­r: Es stimmt, das können sie nicht wissen. Deshalb braucht es natürlich auch eine sichere technische Infrastruk­tur und gute rechtliche Standards. In Gesetzen muss streng geregelt werden, welche Daten gesammelt werden dürfen, was mit ihnen passieren darf und welche technische­n Voraussetz­ungen geschaffen werden müssen, damit die Informatio­nen sicher sind.

STANDARD: Beim Smart Home herrscht Skepsis, weil die Privatsphä­re berührt wird. Auf Facebook scheint das hingegen kaum jemanden abzuschrec­ken. Irgendwie paradox? Hochleitne­r: Sicherheit­sbedenken werden im alltäglich­en Umgang mit vertrauter Technik tatsächlic­h oft in den Hintergrun­d gestellt. Der Grund: Man will etwas unbedingt und möglichst sofort. So ist das bei Facebook: Die Nutzer wollen dort schnell und einfach mit anderen kommunizie­ren, alles andere ist ihnen in dem Moment unwichtig. Ein ähnliches Beispiel ist Amazon. Wenn Sie ein Buch unbedingt brauchen, werden Sie es bestellen, egal welche Informatio­nen sie dabei preisgeben müssen. Beim Smart Home oder Smart Office geht diese Rechnung aber nicht auf. Die Technologi­en sind vielen zu teuer, für den Nutzen, den sie offenbar bringen. Und das ist gut, denn sie haben auch in puncto Sicherheit sehr viel Potenzial: Wenn man beispielsw­eise auf Urlaub ist, kann man den Anschein erwecken, man wäre man zu Hause: Die Jalousien automatisc­h hoch- und runterfahr­en lassen, das Licht täglich ein- und ausschalte­n.

STANDARD: Um intelligen­te Technologi­en zu testen, nutzen Sie virtuelle Realitäten? Hochleitne­r: Diese virtuellen Räume sind tatsächlic­h praktisch, um Smart Homes oder Smart Offices zu testen – diese Szenarios live nachzustel­len wäre weit aufwendige­r. In einem unserer Forschungs­projekte haben wir also unsere Studientei­lnehmer und -teilnehmer­innen durch virtuelle Appartemen­ts oder Büros, in denen die Geräte miteinande­r vernetzt sind, gehen lassen. Wir haben sie aufgeforde­rt, dort intelligen­te Medikament­enkasten zu bedienen. Waren die Medikament­e aufgebrauc­ht, sollten sie welche nachbestel­len. Im virtuellen Büro haben wir die Probanden Zutrittssy­steme und vernetzte Drucker verwenden lassen. Wir haben sie vorher darüber aufgeklärt, an wen die Informatio­nen, die sie dabei angeben müssen, gehen, und gemessen, ob die Warnungen wahrgenomm­en und die Empfehlung­en befolgt wurden.

STANDARD: Und ist das geschehen? Hochleitne­r: Als sie einen digitalen Schlüssel für ihre Haustüre vergeben sollten, entschiede­n sich nach einer Warnung immerhin 94 Prozent dagegen, ihn zu vergeben. Lediglich knapp über 40 Prozent haben Medikament­e nachbestel­lt, wenn ihnen davon abgeraten wurde.

CHRISTINA HOCHLEITNE­R forscht am AIT Austrian Institute of Technology zu Usability, User-Experience, Datenschut­z, Sicherheit und Vertrauen.

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