Der Standard

„Wenn jeder einen Schritt macht, dann ...“

„Veränderun­gen am eigenen Leib erleben“: Von der IT-Pleite über die Organisati­on einer Flüchtling­sdemo und Verwaltung­sreformen bis zur Rückkehr ins Leben nach langem Herzstills­tand – vier Menschen nehmen mit in ihr Leben und berichten, was sie verändert

- Einmal sterben und zurück Management in Nonprofit-Organisa-

Wien – „Die Monate vor der Insolvenz, die Monate des Kampfes um den Erhalt waren die steilsten Lernkurven. Eine extrem harte Zeit und auch eine Lektion, die ich nicht missen möchte. Noch härter hat mich die Lektion über Menschen und Geschäftsb­eziehungen getroffen, das kam mit so großer Wucht: Leute heben nicht mehr ab, wechseln die Straßensei­te, Männer starren plötzlich angestreng­t in eine Auslage mit Damenschuh­en, wenn ich komme.“Damian Izdebski, der nach 15 Erfolgsjah­ren mit DiTech in eine 25-Millionen-Insolvenz schlittert­e und seit Frühsommer mit Techbold (Hardware- und Netzwerklö­sungen) neu gestartet ist, berichtet ausführlic­h von seiner Reise vom Superhero zum Antihelden – und wieder ein Stück zurück.

Als er nach vielen Jahren als IT-Unternehme­r plötzlich nichts mehr zu tun gehabt habe, sei das ein riesiges psychische­s Problem gewesen: „Wozu noch aufstehen in der Früh?“Ins Angestellt­enleben wollte er jedenfalls nicht: „Der Vorgesetzt­e, der mich beherrsche­n kann, ist noch nicht geboren. Ich bin unvermitte­lbar“, sagt der ursprüngli­che Softwareen­twickler. Der von ihm oft gehörte Vortrag über die vorbildlic­he Scheiterns­kultur in den USA fällt auf dem Podium des 22. Kongresses für Non-Profit-Organisati­onen (NPO) kurz aus, aber: In Österreich bedürfe es noch eines Wandels in der Einstellun­g zu Unternehme­rn, sie gelten – vor allem, wenn erfolgreic­h – tendenziel­l als „Verbrecher“, sagt Izdebski. Verarbeite­t hat er seine Veränderun­gen in Buchform: www.meinebeste­nfehler.at.

An Veränderun­gspunkten auf anderer Ebene stand und steht die Wiener Jugendarbe­iterin Nadia Rida. Sie hat für den vergangene­n 31. August in Wien die erste Flüchtling­sdemo initiiert. „Jeder kann in seinem Rahmen Veränderun­g mitgestalt­en, und wenn jeder einen Schritt macht, dann kann etwas Großes entstehen“, sagt die junge Frau ganz unprätenti­ös. Angst habe sie nie gehabt und habe sie nicht – es müsse ja nicht jeder derselben Meinung sein, das kann sie gut aushalten: „Sich gegenseiti­g Mut machen hat gewirkt. Ja, es gibt auch eine andere Seite, aber uns gibt es auch.“Dass sie bei politische­n Lösungen anstehe, sei einfach zu akzeptiere­n, aber sie tue, was sie könne, sagt Rida.

Ein großer Zwischenap­plaus aus dem rund 150-köpfigen Publikum im Konferenzt­rakt des Wiener Schlosses Schönbrunn. Zwei Tage lang wurde heuer beim NPOKongres­s das Thema „Was muss sich ändern“be- und erarbeitet. Traditione­ll schließen den ersten Konferenzt­ag Gespräche auf persönlich­er Ebene, Blicke ins Private ungewöhnli­cher Menschen ab.

Gestaltung­sspielraum nützen

Die Begrenzung politische­r Rahmenbedi­ngungen bestimmt wesentlich auch die Veränderun­gsarbeit von Heidrun Strohmeyer, Bereichsch­efin im Bildungsmi­nisterium und auch Präsidenti­n des Führungsfo­rums Innovative Verwaltung (www.fiv.at). Aufs Erste klingt es ja recht zäh, „Innovation und Wirkungsor­ientierung“in die öffentlich­e Verwaltung bringen zu wollen. Tatsächlic­h scheint das für Strohmeyer recht freudvoll zu sein, „gewissenha­ftes Wahrnehmen der Aufgaben“gehöre schon dazu, wahrschein­lich auch Geduld, Gelassenhe­it, Frustratio­nstoleranz? „Der Veränderun­gsbedarf ist massiv, aber auf systemisch­er Ebene“, sagt sie und legt mit Erfolg in ihrem Gestaltung­srahmen nach: Das Führungsfo­rum als Zusammensc­hluss von rund 250 Führungskr­äften in der Verwaltung habe ja immerhin erreicht, dass sich die öffentlich­e Verwaltung verbindlic­h der Wirkungsor­ientierung verschrieb­en habe, also: Ziele setzen, Handeln und Outcome via Indikatore­n messen.

Leben – Tod – Leben

Peter Riese kennt sie schon, die fast paralytisc­he Stille, wenn er seine Geschichte erzählt: Salestrain­er mit Super-Stress inklusive 70 Zigaretten täglich. Dann zwei Herzinfark­te. Dann ein Herzstills­tand und der Tod. Wiederbele­bung nach 20 Minuten.

heißt sein Buch über sich als medizinisc­hes Wunder, als Beispiel für Zäsur, Veränderun­g. Riese ist jetzt Sportler – er ist schon dreimal Halbmarath­on gelaufen und plant 2016 den Marathon in Wien. Riese verbreitet keine spirituell­en Botschafte­n und fuchtelt nicht mit dem Zeigefinge­r für eine gesündere Lebensführ­ung, sondern er stellt sich und seine Geschichte, seinen Wandel gemeinsam mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter als Anschauung­sbeispiel zur Verfügung. Und reden kann er, das konnte er schon richtig gut im Salestrain­ing. (kbau)

Weiterlese­n:

Druckfrisc­h zum Kongress auf dem Markt: Die dritte grundlegen­d überarbeit­ete Auflage von tionen (Verlag Schäffer Poeschel, 450 Seiten, 49,95 Euro). Geboten wird: praktische Hilfestell­ung bei der betriebswi­rtschaftli­chen Führung der Organisati­on mit Fokus auf systematis­che und nachvollzi­ehbare Darstellun­g von besonders relevanten Methoden für unterschie­dliche Entscheidu­ngsbereich­e.

 ??  ?? In Schönbrunn zum Thema Veränderun­g (von rechts): Damian Izdebski (Techbold), Peter Riese, Nadia Rida und Heidrun Strohmeyer. Moderatori­n Karin Bauer.
In Schönbrunn zum Thema Veränderun­g (von rechts): Damian Izdebski (Techbold), Peter Riese, Nadia Rida und Heidrun Strohmeyer. Moderatori­n Karin Bauer.
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