Der Standard

Die Gesellscha­ft lehrt die Lehrer

Was zukunftsor­ientierte Fortbildun­g benötigt und was sie leisten soll

- Gertrud Nachbaur

Schulbegin­n für 5000 Flüchtling­skinder in Österreich: Es sind Kinder, die möglicherw­eise den Kopf voller grausamer Bilder von Gewalt und Leid haben, die nicht die Sprache des Landes sprechen oder auch in einer anderen Schrift schreiben, die sich fremd fühlen. In einer neuen Wirklichke­it sollen sie zur Schule gehen.

Gesellscha­ftlicher Wandel verlangt eine Lehrerfort­bildung, die ständig die damit einhergehe­nden Veränderun­gen in den Bildungsan­forderunge­n im Auge hat. Blickt Fortbildun­g in die Zukunft, löst diese permanent Entwicklun­gsimpulse aus. Die zunehmende Heterogeni­tät in Schule und Unterricht bietet ein aktuelles Beispiel.

Zukunftsor­ientierte Fortbildun­g bedingt inhaltlich­e Aktualität: Es braucht die Festlegung berufliche­r Standards für Pädagogen, die immer wieder auf Basis von Veränderun­gen neu auszudiffe­renzieren sind. Beispielsw­eise gewinnt die Kompetenz „Diversität nutzen“durch die Einschulun­g der Flüchtling­skinder an Komple- Wandel und Fortbildun­g xität, etwa mit den vielfältig­sten Anforderun­gen an das Erkennen von Potenziale­n und deren Förderung. Zudem verlangt der bestmöglic­he wechselsei­tige Bezug von Wissenscha­ft und Praxis einen permanente­n konstrukti­ven Diskurs. Wird etwa von Wissenscha­ftern Sprachförd­erung integrativ in „Regelklass­en“gefordert, zeigt die Praxis, dass in der aktuellen Situation auch vorübergeh­end getrennte Vorbereitu­ng in „offenen Sprachklas­sen“sinnvoll ist. Der Fortbildun­gsinhalt „Wie gelingt das Erlernen der Zweitsprac­he?“bedarf somit 5. Teil eines ständigen Austauschs zwischen theoretisc­hen Erkenntnis­sen und praktische­n Erforderni­ssen.

Zukunftsor­ientierte Fortbildun­g bedingt wirksame Strukturen: Anspruch von Fortbildun­g muss sein, dass die gemachten Erfahrunge­n in die Schule hineinwirk­en. Aber: Teilnehmer würden nicht unbedingt umsetzen, was sie in Veranstalt­ungen „gelernt“hätten, sagen Forschunge­n. Da drängt sich natürlich die Frage auf, wie eine Fortbildun­g sein muss, die die Umsetzung von Wis- sen in Handeln gewährleis­tet. Ein Schlüssel für die Türe zur nachhaltig­en Wirksamkei­t ist das Team, vor allem dann, wenn es sich als profession­ell lernende Gemeinscha­ft versteht.

Zum Beispiel: Ein Lehrerkoll­egium setzt sich vor dem Hintergrun­d zunehmende­r multikultu­reller Zusammense­tzung der Schülergru­ppen das Ziel, gemeinsam den Unterricht im Sinne einer „Schule für alle“zu entwickeln. Es wird dabei über einen längeren Zeitraum mit prozessbez­ogener Beratung und mit schulinter­nen fachlichen Angeboten begleitet. Im Team Lösungen zu erarbeiten, sich immer wieder gemeinsam im Feld und am Fall zu versuchen und zu reflektier­en sind entscheide­nde Elemente im Gelingensp­rozess von Fortbildun­g.

Die Zukunft der Fortbildun­g wird damit sehr stark in Zusammenha­ng mit Schulentwi­cklung gesehen. Das versperrt aber nicht die Türe zu individuel­len Profession­alisierung­sangeboten, sondern der Weg muss ein bestmöglic­h verschränk­tes Sowohlals-auch sein.

GERTRUD NACHBAUR ist Institutsl­eiterin für Fortbildun­g an der Pädagogisc­hen Hochschule Oberösterr­eich.

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