Wien hat die Wahl
Im Wahlkampffinish versuchen die Parteien, die vielen unentschlossenen Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Die Grüne Maria Vassilakou will der SPÖ „Feuer unter dem Hintern“machen – und kämpft um ihre Zukunft. Die Neos wollen einen blauen Bürgermeister verhin
Wenn Experten und Umfragen nicht irren, entscheidet sich diese im Gemeindebau und im Pensionistenheim. Dann erweist sich, was die vielen Plakate, Broschüren und Wahlzuckerln
gebracht haben – und ob die vielen Wahlkampfkilometer tausender Parteihelfer
nur gratis oder gar umsonst waren.
Wien – Ganz waren sich die beiden grünen Aushängeschilder bei der internen Abschlusskundgebung der Partei am Freitag nicht einig. Eva Glawischnig, die Chefin der Bundesgrünen, will beim „Auftakt zum Abtakt“des Wahlkampfes schon in einige müde Gesichter geblickt haben. Die Wiener Spitzenkandidatin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou resümierte hingegen beim Blick in die versammelte Menge von Funktionären und Sympathisanten: „Es schaut so aus, als würden wir heute in den Wahlkampf starten.“
Tatsächlich steht für die Grünen einiges auf dem Spiel. Die prognostizierten Verluste der SPÖ und Zugewinne der FPÖ könnten viele noch unentschlossene Wähler dazu bringen, für Rot oder Blau zu votieren. Davor warnte Glawischnig auf dem als Bar genutzten Dachboden eines Wiener Hotels eindringlich. Man solle sich nicht von einem „Duell aus taktischen Gründen“in die Irre leiten lassen. Nur mit den Grünen gebe es die „Fortsetzung eines Projekts, das die Stadt belebt hat“.
Für Vassilakou selbst geht es bei der Wien-Wahl am Sonntag auch um das politische Überleben. 12,6 Prozent erreichten die Grünen bei der Wahl 2010. Bei einem Minus hat sie angekündigt, zurückzutreten. Selbst inner- halb der Partei zeigten sich Vertraute von der riskanten Ansage entsetzt. Denn mittlerweile – und mit dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik und der Zuspitzung des rot-blauen Duells – sehen Umfragen die Grünen stagnieren.
An das ausgerufene Wahlziel, das beste Ergebnis aller bisherigen Zeiten in Wien zu erreichen, glauben nicht einmal mehr die parteiinternen Optimisten. 2005 schafften die Grünen 14,6 Prozent.
Den selbstgemachten Druck lässt sich Vassilakou nach außen aber nicht anmerken. Für sie hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Wahl trotz Verlusten bereits gewonnen, prophezeite sie. Wer die Fortsetzung von Rot-Grün wolle, müsse „die Grünen, und nur die Grünen“wählen. Denn Häupl neige dazu, sich zurückzulehnen, die SPÖ werde selbstsicher bleiben, aber orientierungsloser werden. Es brauche daher die Grünen, die „dieser SPÖ und diesem Bürgermeister Feuer unter dem Hintern“machen, sagte Vassilakou.
Häupl dürfte das freilich gegenteilig sehen, er schwor am Freitagabend die Wiener SPÖ auf das Wahlkampffinale ein. Aber selbst eine erneute rot-grüne Koalition ist laut Wahlbeobachtern bei großen freiheitlichen Zugewinnen noch nicht ganz abgesichert.
Zeitungen in Blau und Pink
Die als potenzieller dritter Partner in einer farbenprächtigen Koalition (Rot-Grün-Pink, RotSchwarz-Pink) ins Spiel gebrachten Neos müssen um ihren Einzug in den Gemeinderat laut Umfragen aber noch kämpfen. Am Freitag feierten sie am Nachmittag ihren Wahlkampfabschluss auf dem Schwedenplatz, wo mehr pinke Luftballons als Leute zu sehen waren. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger versprach, dass es keinen Bürgermeister Strache geben werde: „Wenn wir drinnen sind, geht sich das nicht aus.“Sie sei überzeugt, dass die Zeitungen am Montag „ziemlich blau, aber auch pink sein werden“. Lob habe sie in den letzten Tagen für ihren Auftritt in der TV-Elefantenrunde geerntet: „Viele Menschen haben mich angesprochen und gesagt, wie gut es sei, dass jemand aufzeigt, wie korrupt die Stadt sei.“
FPÖ-Parteichef Strache legte nach dem Wahlkampfabschluss am Donnerstagabend am Freitag mit einer Pressekonferenz nach. Er hoffte auf ein Drittel der 100 Sitze im Landtag, womit die Freiheitlichen Verfassungsänderungen blockieren könnten.