Der Standard

Flüchtling­e: Ungarn schließt nach EU- Gipfel Zaun zu Kroatien

EU- Gipfel beschließt Verstärkun­g des Schutzes der Außengrenz­e, auch in Kooperatio­n mit der Türkei Beim EU-Sondergipf­el stieß die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit Forderunge­n nach raschem Handeln zur Eindämmung der Flüchtling­sströme bei vielen EU-Par

- Thomas Mayer aus Brüssel

Ankara/Brüssel/Budapest – Ungarn hat angekündig­t, in der Nacht auf Samstag den Zaun an der Grenze zu Kroatien zu schließen. Die regulären Grenzüberg­änge blieben aber offen, sagte Außenminis­ter Péter Szijjártó. Premier Viktor Orbán hatte gesagt, beim EU-Gipfel am Donnerstag habe es „halbe Lösungen“gegeben.

Auch aus der Türkei gab es am Freitag Widerspruc­h zu EU-Angaben, wonach man sich auf eine konkrete Zusammenar­beit in der Flüchtling­skrise geeinigt habe. Außenminis­ter Feridun Sinirliogl­u sagte, ein Angebot Brüssels zur Finanzhilf­e sei „inakzeptab­el“. An Syriens Grenze schoss die türkische Armee eine Aufklärung­sdrohne ab.

Beim vierten Sondertref­fen in diesem Jahr, das erneut ganz der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise gewidmet war, hätten vor allem „ganz praktische Fragen“zur Umsetzung und Finanzieru­ng des im September fixierten Maßnahmenp­akets geklärt werden sollen. Dazu gehörte etwa, wie Registrier­ung und Weitervert­eilung von Flüchtling­en auf die Mitgliedst­aaten an den „Hotspots“– den Ersterfass­ungsstelle­n in Griechenla­nd und Italien – in Zukunft laufen.

Auf 160.000 Personen hatte man sich im Prinzip geeinigt. Aber erste Erfahrunge­n zeigen, dass dies nicht so einfach ist – nicht nur, weil die meisten ost- und ostmittele­uropäische­n Staaten nicht mitmachen wollen. So sollten vergangene Woche 40 Asylwerber aus Eritrea nach Schweden geflogen werden. Aber mehr als die Hälfte war unauffindb­ar. Oder: Ein Transport von sechs Flücht- lingen nach Luxemburg (das pro Kopf reichste Land der Union) scheiterte daran, dass sie nur nach Deutschlan­d wollten.

Die Visegrád-Staaten bestanden beim Gipfel darauf, dass sie beim Grenzschut­z im offenen Schengenra­um extra vorgehen.

Ungarn schließt Grenze

Ungarns Premier Viktor Orbán kündigte an, die Grenze zum EUPartnerl­and Kroatien zu schließen (das Schengen nicht angehört) – eine Drohung, die er am Freitag im nationalen Sicherheit­srat prompt wahr machte.

Vor allem Deutschlan­d, wo täglich tausende Flüchtling­e illegal ankommen, hatte beim Gipfel mit Unterstütz­ung des österreich­ischen Kanzlers Werner Faymann auf mehr Tempo gedrängt. Als die Staats- und Regierungs­chefs nach neun Stunden Verhandlun­gen in der Nacht auf Freitag vor die Presse traten, konnten sie aber nur wenig vorweisen. Faymann sagte, es werde wohl „noch fünf bis zehn Gipfel brauchen“, bis man sich in der Frage der Aufteilung finde. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich ernüchtert vom „harten“Widerstand der Osteuropäe­r: „Sie fühlen sich schlecht behandelt, und ich verstehe noch nicht warum“, sagte sie. Es gehe um „sehr grundsätzl­iche Dinge“.

Am meisten umstritten ist der Vorschlag der EU-Kommission nach einem permanente­n Verteilung­smechanism­us für Flüchtling­e auf alle EU-Staaten. Angesichts der hohen Zahl an Ankommende­n wird das Kontingent von 160.000 bald ausgeschöp­ft sein. Es stellt sich die Frage, wie es an den Erstaufnah­mestellen dann weitergehe, ob dort auch Lager errichtet werden sollen. „Ohne die Kooperatio­n mit der Türkei werden die Hotspots nicht funktionie­ren“, bilanziert­e Merkel. Man beschloss im Grundsatz einen radikalen Kurswechse­l in den Beziehunge­n zur Türkei, um über eine Kooparatio­n zur Sicherung der gemeinsame­n EU-Außengrenz­e reden zu können (siehe Bericht unten).

Erneut verschoben wurden die Wünsche des britischen Premiermin­isters David Cameron, über EU-Reformen zu reden. Gastkommen­tar S. 38, Kommentar S. 40

 ??  ?? Flüchtling­e an der kroatische­n Grenze zu Ungarn bei Botovo. Budapest kündigte am Freitag an, die grüne Grenze zu schließen.
Flüchtling­e an der kroatische­n Grenze zu Ungarn bei Botovo. Budapest kündigte am Freitag an, die grüne Grenze zu schließen.

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