Kopf des Tages
Universalgelehrt und wehrhaft
Der iranisch-deutsche Schriftsteller Navid Kermani erhält am Sonntag in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Eigentlich bräuchte es zwei, wenn nicht drei Leben, um all das zu realisieren, was der in Köln lebende Schriftsteller, habilitierte Orientalist und Reporter Navid Kermani in die 48 Jahre seines Lebens gepackt hat.
1967 in Siegen als vierter und jüngster Sohn einer strenggläubige iranischen Arztfamilie geboren, studierte Kermani zunächst Orientalistik, Theaterwissenschaft und Philosophie. Wobei der iranisch-deutsche Doppelbürger, der schon als 15-jähriger Feuilletons für die Westfälische Rundschau verfasst hatte, neben der Uni Reportagen für die FAZ schrieb, 1994 in Isfahan ein Kulturzentrum gründete und bis 1997 leitete und zudem Dramaturg am Schauspielhaus Frankfurt war.
Der bekennende Fan des 1. FC Köln – Kermani erklärte seine Anhänglichkeit an diesen Club einmal scherzhaft mit seiner schiitisch geprägten Affinität zu einer Kultur der Niederlage – legte dann1999 mit Gott ist schön sein erstes Buch vor. Es handelt sich dabei um seine Dissertation, die sich der Ästhetik des Korans widmet. Obwohl das Buch ein Erfolg und die akademische Karriere auf Schiene war, entschied sich Kermani, der 2005 doch noch habilitierte, für ein Leben als freier Autor. 2002 legte er mit Das Buch der von Neil Young Getöteten seinen ersten literarischen Text vor. Den in diesem Buch anklingenden Themen – Gott, Liebe (auch körperliche), Tod, Verlorenheit und der Gleichzeitigkeit all dessen – ist Kermani seither in 19 Büchern treu geblieben.
Wobei das Werk des in der arabischen Mystik ebenso wie in der „westlichen“Philosophie und Literatur geschulten Autors aus Reportagen aus Krisen- und Kriegsgebieten, Prosaarbeiten und Essays besteht, die stets die Brücke zwischen Islam und Christentum bauen.
Der freundliche, aber wehrhafte Schriftsteller, der 2014 im Bundestag eine gefeierte Rede zum Grundgesetz gehalten hat, ist mit seinen Arbeiten zuweilen auch zwischen die Fronten geraten. Etwa 2009, als ihm wegen vermeintlich katholizismuskritischer Äußerungen der Hessische Kulturpreis ab- und dann wieder zuerkannt wurde. Die 45.000 Euro Preisgeld spendete Kermani dann einer katholischen Pfarre.
Der mit der Islamwissenschafterin Katajun Amirpur verheiratete Autor und Vater zweier gemeinsamer Töchter hat viele Preise entgegennehmen können. Nun kommt der Friedenspreis des deutschen Buchhandels dazu. Er scheint auf Kermani, dessen Stoff das Leben in uneindeutigen Zeiten ist, wie zugeschnitten. Navid Kermani erhält am Sonntag in Frankfurt den
Friedenspreis.