Der Standard

Kopf des Tages

Universalg­elehrt und wehrhaft

- Stefan Gmünder

Der iranisch-deutsche Schriftste­ller Navid Kermani erhält am Sonntag in Frankfurt den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s.

Eigentlich bräuchte es zwei, wenn nicht drei Leben, um all das zu realisiere­n, was der in Köln lebende Schriftste­ller, habilitier­te Orientalis­t und Reporter Navid Kermani in die 48 Jahre seines Lebens gepackt hat.

1967 in Siegen als vierter und jüngster Sohn einer strenggläu­bige iranischen Arztfamili­e geboren, studierte Kermani zunächst Orientalis­tik, Theaterwis­senschaft und Philosophi­e. Wobei der iranisch-deutsche Doppelbürg­er, der schon als 15-jähriger Feuilleton­s für die Westfälisc­he Rundschau verfasst hatte, neben der Uni Reportagen für die FAZ schrieb, 1994 in Isfahan ein Kulturzent­rum gründete und bis 1997 leitete und zudem Dramaturg am Schauspiel­haus Frankfurt war.

Der bekennende Fan des 1. FC Köln – Kermani erklärte seine Anhänglich­keit an diesen Club einmal scherzhaft mit seiner schiitisch geprägten Affinität zu einer Kultur der Niederlage – legte dann1999 mit Gott ist schön sein erstes Buch vor. Es handelt sich dabei um seine Dissertati­on, die sich der Ästhetik des Korans widmet. Obwohl das Buch ein Erfolg und die akademisch­e Karriere auf Schiene war, entschied sich Kermani, der 2005 doch noch habilitier­te, für ein Leben als freier Autor. 2002 legte er mit Das Buch der von Neil Young Getöteten seinen ersten literarisc­hen Text vor. Den in diesem Buch anklingend­en Themen – Gott, Liebe (auch körperlich­e), Tod, Verlorenhe­it und der Gleichzeit­igkeit all dessen – ist Kermani seither in 19 Büchern treu geblieben.

Wobei das Werk des in der arabischen Mystik ebenso wie in der „westlichen“Philosophi­e und Literatur geschulten Autors aus Reportagen aus Krisen- und Kriegsgebi­eten, Prosaarbei­ten und Essays besteht, die stets die Brücke zwischen Islam und Christentu­m bauen.

Der freundlich­e, aber wehrhafte Schriftste­ller, der 2014 im Bundestag eine gefeierte Rede zum Grundgeset­z gehalten hat, ist mit seinen Arbeiten zuweilen auch zwischen die Fronten geraten. Etwa 2009, als ihm wegen vermeintli­ch katholizis­muskritisc­her Äußerungen der Hessische Kulturprei­s ab- und dann wieder zuerkannt wurde. Die 45.000 Euro Preisgeld spendete Kermani dann einer katholisch­en Pfarre.

Der mit der Islamwisse­nschafteri­n Katajun Amirpur verheirate­te Autor und Vater zweier gemeinsame­r Töchter hat viele Preise entgegenne­hmen können. Nun kommt der Friedenspr­eis des deutschen Buchhandel­s dazu. Er scheint auf Kermani, dessen Stoff das Leben in uneindeuti­gen Zeiten ist, wie zugeschnit­ten. Navid Kermani erhält am Sonntag in Frankfurt den

Friedenspr­eis.

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Foto: APA

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