Der Standard

Von Heta zu Hypo

Das Landgerich­t München zerpflückt den Versuch, die Heta zum Fall einer Abwicklung zu machen. Für Aufregung sorgt eine Passage im Urteil, wonach die Ex-Bank plötzlich wieder Bank sein wollte. Die Heta dementiert.

- Andreas Schnauder

Laut einem dem STANDARD vorliegend­en Urteil wollte die Heta wieder Bank werden, um den Schuldensc­hnitt nicht zu gefährden.

Wien – Österreich vergleicht sich in den Hypo-Querelen mit dem Freistaat Bayern, dennoch wird weiter prozessier­t. Um Rechtssich­erheit zu gewährleis­ten, wie es heißt. Derart juristisch­e Spitzfindi­gkeiten gibt es rund um die Hypo-Nachfolger­in Heta zur Genüge. Ein Gustostück birgt das erstinstan­zliche Urteil im Eigenkapit­alersatz-Prozess zwischen der österreich­ischen Ex-Bank und der früheren Mehrheitsa­ktionärin BayernLB, das dem Standard vorliegt. Kurz gesagt wollte sich die Heta laut Richterin Gesa Lutz wieder in eine Bank zurückverw­andeln, um den geplanten Schuldensc­hnitt nicht zu gefährden.

Zur Erklärung: Im März dieses Jahres – zwei Monate vor dem Urteilsspr­uch in München – verfügte die Finanzmark­taufsicht auf Basis des taufrische­n Bankenabwi­cklungsges­etzes ein Moratorium. Wegen des Zahlungsst­opps würde die BayernLB selbst im Falle eines Obsiegens im Rechtsstre­it nicht zur geforderte­n Kreditrück­zahlung von 2,5 Mrd. Euro gelangen. Voraussetz­ung: Das Gericht anerkennt das Moratorium als korrekte Umsetzung der zugrunde liegenden EU-Richtlinie.

Daran gibt es massive Zweifel, die längst in Deutschlan­d die Runde gemacht haben. Einer der Einwände, die nun von zahlreiche­n Gläubigern in diversen Auseinande­rsetzungen vorgebrach­t werden: Die EU-Richtlinie gilt nur für Banken, die Heta ist aber Ende Oktober in eine Abbaueinhe­it ohne Bankkonzes­sion umgewandel­t worden. Die Heta-Anwälte versuchten laut Urteil ob der drohenden Nichtanerk­ennung des Moratorium­s einen besonderen Kniff: Sie behaupten plötzlich, die Umwandlung der Hypo Alpe Adria in eine Abbaueinhe­it im Herbst 2014 sei europarech­tswidrig gewesen. Sinngemäß wollten die Österreich­er, dass aus der Heta wieder ein Kreditinst­itut wird. Lutz hält dazu fest, dass ein „deutsches Gericht die Entscheidu­ngen des österreich­ischen Gesetzgebe­rs und der österreich­ischen Finanzmark­taufsicht nicht für unwirksam erklären kann“.

Doch damit nicht genug der juristisch­en Kapriolen: Die Heta dementiert den von der Richterin dargestell­ten Sachverhal­t auf An- frage des Standard. Die angebliche Initiative auf Rückumwand­lung in eine Bank habe es nicht gegeben, das Urteil gebe das falsch wider, erklärt ein Sprecher. Das werde auch Inhalt der in Arbeit befindlich­en Berufung sein, heißt es aus der Heta. Ob diese noch heuer eingebrach­t wird, ist übrigens fraglich.

Bank oder Nichtbank

Die im Urteil zitierten und von der Heta bestritten­en Bedenken haben sich übrigens als berechtigt erwiesen. Das Landgerich­t München I hat die Anwendung des Zahlungsst­opps verneint. Die Begründung könnte für weitere Prozesse und den geplanten Schuldensc­hnitt, mit dem weitere Milliarden­lasten vom Steuerzahl­er abgewendet werden sollen, noch bedeutsam sein.

Der Sinn der EU-Richtlinie sei es sinngemäß, systemisch wichtige Funktionen einer Schieflage geratenen Bank zu erhalten und eine Rettung mit öffentlich­en Mitteln zu vermeiden. „Diese Ziele gebieten die Anwendung der Richtlinie ... gerade nicht“, schreibt Lutz und verweist darauf, dass die Heta weder Einlagenge­schäft betreibe noch qualifizie­rte Beteiligun­gen an anderen Banken halte. Dadurch sei „die Gefahr einer systemisch­en Beeinträch­tigung der Ge- samtwirtsc­haft oder der Finanzmark­tstabilitä­t durch eine Insolvenz der Beklagten (der Heta, Anmerkung) nicht mehr gegeben“. Das Ziel der Entlastung des Steuerzahl­ers allein reiche nicht aus, die Heta-Abwicklung mit der entspreche­nden EU-Richtlinie zu rechtferti­gen.

Sollte sich diese Einschätzu­ng durchsetze­n, wäre Österreich­s Vorgangswe­ise gescheiter­t. Bereits Anfang November werden die Klagen deutscher Landesbank­en und anderer Gläubiger in Frankfurt behandelt. Insgesamt belaufen sich die Forderunge­n deutscher Investoren auf gut sieben Milliarden. „Wenn die Gerichte das Moratorium nicht anerkennen, bleibt nur noch die Insolvenz der Heta“, meinen dazu zwei mit der Angelegenh­eit betraute Personen.

Auch die Ausführung­en zum eigentlich­en Prozessthe­ma Eigenkapit­alersatz haben es in sich. Es geht darum, ob Kredite der BayernLB an ihre damalige Tochter zurückbeza­hlt werden müssen. Nein, sagt die Heta, die argumentie­rt, sie habe sich zum Zeitpunkt der Darlehensg­ewährung bereits in einer Krise befunden. Diese Einschätzu­ng teilt Richterin Lutz nicht. Die Unterschre­itung von Eigenmitte­lvorschrif­ten sei aus den seinerzeit­igen Dokumenten für die Bayern nicht erkennbar gewesen. Die Österreich­er haben es der Richterin dabei recht leicht gemacht. Sie stützt sich nicht nur auf Geschäftsb­erichte, in denen die Sicherung der Geschäftst­ätigkeit bezeugt wird: Auch die Bankenaufs­icht sah „keinen Anlass zum Einschreit­en“, zumal die regulatori­schen Anforderun­gen laufend eingehalte­n worden seien.

„Turnaround geschafft“

Lutz zitiert auch aus Hypo-Veröffentl­ichungen nach der Verstaatli­chung, die auf keine schlechter­e Lage der damaligen Bank hinweisen würden, wie sie jetzt behauptet wird. So teilte sie 2010 mit, dass das Risiko der Hypo nach einer neuerliche­n Bewertung der Kredite im erwarteten Bereich liege. Im Geschäftsb­ericht 2011 wurde verkündet, dass der „Turnaround geschafft“sei.

In der Berufung wird die große Streitfrag­e sein, ob München das österreich­ische Eigenkapit­alersatzre­cht richtig ausgelegt hat. Daran gibt es Zweifel, weil Richterin Lutz auf die „subjektive Kenntnis“der Geschäftsl­age abzielte. Viele Experten meinen, es reiche schon aus, dass die Bank objektiv in Schieflage lag. Rechtsanwa­lt Ingo Kapsch ist wie die Heta der Meinung, dass die Berufung aussichtsr­eich sei.

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Ein langwierig­er Prozess brachte ein schwerwieg­endes Urteil – wenn es hält: Österreich kann sichdemnac­h gar nicht auf die vielzitier­te EU-Richtlinie zur Bankenabwi­cklung berufen.

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