Von Heta zu Hypo
Das Landgericht München zerpflückt den Versuch, die Heta zum Fall einer Abwicklung zu machen. Für Aufregung sorgt eine Passage im Urteil, wonach die Ex-Bank plötzlich wieder Bank sein wollte. Die Heta dementiert.
Laut einem dem STANDARD vorliegenden Urteil wollte die Heta wieder Bank werden, um den Schuldenschnitt nicht zu gefährden.
Wien – Österreich vergleicht sich in den Hypo-Querelen mit dem Freistaat Bayern, dennoch wird weiter prozessiert. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wie es heißt. Derart juristische Spitzfindigkeiten gibt es rund um die Hypo-Nachfolgerin Heta zur Genüge. Ein Gustostück birgt das erstinstanzliche Urteil im Eigenkapitalersatz-Prozess zwischen der österreichischen Ex-Bank und der früheren Mehrheitsaktionärin BayernLB, das dem Standard vorliegt. Kurz gesagt wollte sich die Heta laut Richterin Gesa Lutz wieder in eine Bank zurückverwandeln, um den geplanten Schuldenschnitt nicht zu gefährden.
Zur Erklärung: Im März dieses Jahres – zwei Monate vor dem Urteilsspruch in München – verfügte die Finanzmarktaufsicht auf Basis des taufrischen Bankenabwicklungsgesetzes ein Moratorium. Wegen des Zahlungsstopps würde die BayernLB selbst im Falle eines Obsiegens im Rechtsstreit nicht zur geforderten Kreditrückzahlung von 2,5 Mrd. Euro gelangen. Voraussetzung: Das Gericht anerkennt das Moratorium als korrekte Umsetzung der zugrunde liegenden EU-Richtlinie.
Daran gibt es massive Zweifel, die längst in Deutschland die Runde gemacht haben. Einer der Einwände, die nun von zahlreichen Gläubigern in diversen Auseinandersetzungen vorgebracht werden: Die EU-Richtlinie gilt nur für Banken, die Heta ist aber Ende Oktober in eine Abbaueinheit ohne Bankkonzession umgewandelt worden. Die Heta-Anwälte versuchten laut Urteil ob der drohenden Nichtanerkennung des Moratoriums einen besonderen Kniff: Sie behaupten plötzlich, die Umwandlung der Hypo Alpe Adria in eine Abbaueinheit im Herbst 2014 sei europarechtswidrig gewesen. Sinngemäß wollten die Österreicher, dass aus der Heta wieder ein Kreditinstitut wird. Lutz hält dazu fest, dass ein „deutsches Gericht die Entscheidungen des österreichischen Gesetzgebers und der österreichischen Finanzmarktaufsicht nicht für unwirksam erklären kann“.
Doch damit nicht genug der juristischen Kapriolen: Die Heta dementiert den von der Richterin dargestellten Sachverhalt auf An- frage des Standard. Die angebliche Initiative auf Rückumwandlung in eine Bank habe es nicht gegeben, das Urteil gebe das falsch wider, erklärt ein Sprecher. Das werde auch Inhalt der in Arbeit befindlichen Berufung sein, heißt es aus der Heta. Ob diese noch heuer eingebracht wird, ist übrigens fraglich.
Bank oder Nichtbank
Die im Urteil zitierten und von der Heta bestrittenen Bedenken haben sich übrigens als berechtigt erwiesen. Das Landgericht München I hat die Anwendung des Zahlungsstopps verneint. Die Begründung könnte für weitere Prozesse und den geplanten Schuldenschnitt, mit dem weitere Milliardenlasten vom Steuerzahler abgewendet werden sollen, noch bedeutsam sein.
Der Sinn der EU-Richtlinie sei es sinngemäß, systemisch wichtige Funktionen einer Schieflage geratenen Bank zu erhalten und eine Rettung mit öffentlichen Mitteln zu vermeiden. „Diese Ziele gebieten die Anwendung der Richtlinie ... gerade nicht“, schreibt Lutz und verweist darauf, dass die Heta weder Einlagengeschäft betreibe noch qualifizierte Beteiligungen an anderen Banken halte. Dadurch sei „die Gefahr einer systemischen Beeinträchtigung der Ge- samtwirtschaft oder der Finanzmarktstabilität durch eine Insolvenz der Beklagten (der Heta, Anmerkung) nicht mehr gegeben“. Das Ziel der Entlastung des Steuerzahlers allein reiche nicht aus, die Heta-Abwicklung mit der entsprechenden EU-Richtlinie zu rechtfertigen.
Sollte sich diese Einschätzung durchsetzen, wäre Österreichs Vorgangsweise gescheitert. Bereits Anfang November werden die Klagen deutscher Landesbanken und anderer Gläubiger in Frankfurt behandelt. Insgesamt belaufen sich die Forderungen deutscher Investoren auf gut sieben Milliarden. „Wenn die Gerichte das Moratorium nicht anerkennen, bleibt nur noch die Insolvenz der Heta“, meinen dazu zwei mit der Angelegenheit betraute Personen.
Auch die Ausführungen zum eigentlichen Prozessthema Eigenkapitalersatz haben es in sich. Es geht darum, ob Kredite der BayernLB an ihre damalige Tochter zurückbezahlt werden müssen. Nein, sagt die Heta, die argumentiert, sie habe sich zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung bereits in einer Krise befunden. Diese Einschätzung teilt Richterin Lutz nicht. Die Unterschreitung von Eigenmittelvorschriften sei aus den seinerzeitigen Dokumenten für die Bayern nicht erkennbar gewesen. Die Österreicher haben es der Richterin dabei recht leicht gemacht. Sie stützt sich nicht nur auf Geschäftsberichte, in denen die Sicherung der Geschäftstätigkeit bezeugt wird: Auch die Bankenaufsicht sah „keinen Anlass zum Einschreiten“, zumal die regulatorischen Anforderungen laufend eingehalten worden seien.
„Turnaround geschafft“
Lutz zitiert auch aus Hypo-Veröffentlichungen nach der Verstaatlichung, die auf keine schlechtere Lage der damaligen Bank hinweisen würden, wie sie jetzt behauptet wird. So teilte sie 2010 mit, dass das Risiko der Hypo nach einer neuerlichen Bewertung der Kredite im erwarteten Bereich liege. Im Geschäftsbericht 2011 wurde verkündet, dass der „Turnaround geschafft“sei.
In der Berufung wird die große Streitfrage sein, ob München das österreichische Eigenkapitalersatzrecht richtig ausgelegt hat. Daran gibt es Zweifel, weil Richterin Lutz auf die „subjektive Kenntnis“der Geschäftslage abzielte. Viele Experten meinen, es reiche schon aus, dass die Bank objektiv in Schieflage lag. Rechtsanwalt Ingo Kapsch ist wie die Heta der Meinung, dass die Berufung aussichtsreich sei.