Der Standard

Viel Geld und wenig Inhalte im Schweizer Wahlfinale

Vor den Parlaments­wahlen in der Schweiz am Sonntag standen eher einzelne Personen im Zentrum der Aufmerksam­keit. Auch eine ungewöhnli­che Kampagne gegen die Wahlkampff­inanzierun­g der großen Parteien schaffte es in die Schlagzeil­en.

- Klaus Bonanomi aus Bern

Mit einer ungewöhnli­chen Aktion hat der Schweizer WahlkampfE­ndspurt aufgewarte­t: Am Mittwoch, vier Tage vor der Wahl, belegte ein Protestins­erat gegen die Wahlkampfm­aschinerie der großen Parteien Titelseite und Seite zwei der meistgeles­enen Schweizer Gratiszeit­ung 20 Minuten.

„Aufmerksam­keit kann man kaufen – unsere Stimmen nicht“, dazu in kleiner Schrift die Namen von rund 12.000 Unterstütz­ern der Protestkam­pagne. „Wir Wähler wollen wissen, wer welche Partei wie finanziert“, sagt der Urheber der Aktion, der 26-jährige Donat Kaufmann. Mit Crowdfundi­ng gelang es ihm genügend Geld zu sammeln, um es der rechtskons­ervativen und finanzkräf­tigen SVP gleichzutu­n, die zuvor bereits die zwei ersten Seiten von 20 Minuten gekauft hatte.

Teuerster Wahlkampf

„Diese Aktion gegen die inhaltslee­re und intranspar­ent finanziert­e Form des Wahlkampfs tut der Schweizer Demokratie gut“, kommentier­te der Berner Politologe Lukas Golder. In der Tat war der Wahlkampf 2015 der bisher teuerste, aber auch einer der inhaltsärm­sten der letzten Zeit: Er erschöpfte sich weitgehend im Bemühen der Parteien, die eigenen Anhänger zu mobilisier­en, indem man den Wahlgang zur „Richtungsw­ahl“emporstili­sierte. So- zialdemokr­aten und Grüne warnten vor einem Rückschlag bei Sozialpoli­tik und Energiewen­de, während die SVP mit dem Gang in die Opposition drohte, sollte das Parlament ihr nicht einen zweiten Sitz im Bundesrat zugestehen.

Zwar gibt es im Schweizer Parlament mit seinen zwei Kammern und den vielen Parteien je nach Sachfrage wechselnde Mehrheiten; doch ein Richtungse­ntscheid zwischen rechts und links ist von den Wahlen nicht zu erwarten. Denn eine von Demoskopen als möglich erachtete Verschiebu­ng um wenige Prozent nach rechts würde wegen des komplizier­ten Schweizer Wahlmodus nicht zwingend eine Sitzversch­iebung im Parlament bedeuten.

Zudem fehlte es im Wahlkampf – anders als bei einer Volksabsti­mmung – an einer klaren Themenstel­lung. Bei der Regelung der Zuwanderun­g und bei bilaterale­n Gesprächen mit der EU ist man von Brüssel abhängig. Asylpoliti­k eignete sich nicht als Thema, da die Schweiz von der aktuellen Flüchtling­sbewegung nur am Rande betroffen war und die Behörden die Lage im Vergleich gut im Griff haben. Wirtschaft­lich hängt fast alles vom Frankenkur­s ab, der durch die Nationalba­nk gesteuert wird. Und im Kampf gegen Steuerhint­erziehung geben OECD und G20 Tempo und Richtung vor. Die Pensionsre­form ist politisch breit abgestützt.

So konzentrie­rt sich das Interesse auf Namen: Schafft der Chefredakt­eur der nationalko­nservative­n Weltwoche, Roger Köppel (SVP), die Wahl in den Nationalra­t? Gelingt der Tochter von Altbundesr­at Christoph Blocher, der Unternehme­rin Magdalena Martullo (auch SVP), der Einzug?

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Das Schweizer Wahlvolk ist durch die vielen Volksabsti­mmungen ein dominantes Thema im Wahlkampf gewöhnt – diesmal hat das gefehlt.

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