Ein Parlament für Ägypten und Präsident Sisi
Urnengang dauert bis Dezember – Altes Abgeordnetenhaus war 2012 aufgelöst worden
Nach drei Jahren ohne Parlament beginnen die Ägypter an diesem Wochenende ihren Wahlmarathon. Die wichtigste Person bei der Wahl ist auf keinem Plakat zu sehen. Das Porträt von Präsident Abdelfattah al-Sisi darf in der Propaganda nicht verwendet werden, aber eigentlich geht es um ihn.
Die kurze Kampagne war alles andere als hitzig. Das Interesse der Menschen gedämpft. Wirtschaftskrise und Wahlmüdigkeit sind zu spüren; der Enthusiasmus in der Jugend nach der Revolution vom Frühjahr 2011 längst verflogen. In den Straßen hängen tausende Transparente. Beachtung finden sie kaum. Am Abend fahren Lautsprecherwagen durch die Gassen der Wohnviertel und plärren Namen, Nummern und Erkennungszeichen von einzelnen Kandidaten. Das Internet spielt zum ersten Mal eine große Rolle. Direkte Ansprachen der Wähler und Wählerinnen gibt es dagegen wenig.
Die mehrfach verschobenen Parlamentswahlen sind nach neuer Verfassung und Präsidentenwahl der dritte und letzte Schritt des politischen Neuaufbaus nach der gewaltsamen Entmachtung der Muslimbrüder durch die Armee im Sommer 2013. Das neue Grundgesetz schreibt eine Mischung aus Präsidial- und Parlamentssystem fest, das heißt, Sisi Macht als neu gewähltes Staatsoberhaupt wurde gegenüber früheren Präsidenten massiv eingeschränkt. Sisi hat bisher mit Dekreten regiert. Mehr als 400 Gesetze wurden in der Zeit ohne Parlament erlassen. Damit ist der juris- tische Rahmen für Sisis Regentschaft weitgehend abgesteckt und zementiert. An dieser Konstellation soll sich auch mit einer Volkskammer möglichst nichts ändern.
„Fi Hub Masr“– Aus Liebe zu Ägypten – sagt eigentlich alles. Diese breit gefächerte Koalition tritt im ganzen Land für die 120 zu vergebenden Listenplätze an. Angeführt wird sie von Seif al-Yazal, einem ehemaligen Geheimdienstgeneral. Es ist ein loses Bündnis von Partei und Personen ohne Programm und Ideologie. Hier haben sich Unternehmer, ehemalige Mubarak-Regimeleute und bekannte Persönlichkeiten zusammengefunden, um den Präsidenten und seine Politik – sprich: seinen Kampf gegen den Terror und seine Großprojekte – zu unterstützen.
„Fi Hub Masr“koordiniert sich auch mit vielen Einzelkandidaten, die um 448 Sitze – also die große Mehrheit – kämpfen. Zusammen sollen genug Mandate errungen werden, um die Verfassung zu ändern und dem Präsidenten die verlorene Macht wieder zurückzugeben. Yazal und verschiedene seiner Mitstreiter haben diese Absicht ganz offen angekündigt.
Chancenlose Kleinparteien
Einen richtigen Wettbewerb bei diesen Wahlen, die sich in zwei Runden bis in den Dezember hinziehen, gibt es nicht. Es fehlt eine Opposition. Alle Kandidaten und Kandidatinnen unterstützen den Präsidenten und begnügen sich darüber hinaus mit plakativen Slogans ohne Programm oder Strategie. Mehrere kleinere Parteien, die nach der Revolution 2011 entstanden, nehmen an dem Urnengang nicht teil. Sie sprechen von mangelnder Fairness.
Ein kleine, liberale Partei hat sich zurückgezogen, weil sie nicht genug Geld hatte, den teuren Medizincheck für ihre Kandidaten noch einmal zu bezahlen, dem sich diese im Frühjahr – als schon einmal ein Termin angesetzt war – bereits unterzogen hatten. Erfolg hat, wer über Geld und ein Netz aus geschäftlichen und familiären Beziehungen verfügt.
Auch die Anhänger der Muslimbrüder sind nicht dabei. Einige wenige Unbekannte aus ihrem Umfeld treten als unabhängige Kandidaten an. Den politischen Islam vertritt nur die ultrakonservative, salafistische al-Nur-Partei. Sie wird von allen anderen Gruppierungen bekämpft. Das ist aber auch das einzige Körnchen Salz im Wahlkampf.