Der Standard

Viele Flüchtling­shelfer „mit ihrer Energie am Ende“

Bei der Freiwillig­enhilfe für Flüchtling­e in Österreich werden erste Ermüdungse­rscheinung­en bemerkbar. Aufrufe zu spontaner Hilfe auf Bahnhöfen und in Transitqua­rtieren erfolgen immer öfter. Ein Ende des Bedarfs ist nicht in Sicht.

- Gudrun Springer

Wien – Manchmal wird es in der Flüchtling­shilfe eng: So suchte das Rote Kreuz Burgenland diese Woche auf Facebook mit drei Rufzeichen versehen „sehr dringend freiwillig­e Helferinne­n und Helfer für Kleider-, Essensausg­abe“. Man brauche jede helfende Hand. Unlängst hieß es in einem Posting des Notquartie­rs Ferry-Dusika-Stadion: „Da wir merken, dass viele unserer HelferInne­n mit ihrer Energie am Ende sind, suchen wir wieder Zuwachs.“

Auch bei Sachspende­n besteht Bedarf: Die Caritas meldete am Freitag vom Wiener Westbahnho­f: „Unser Lebensmitt­ellager sieht schon wieder traurig leer aus.“Auf dem Hauptbahnh­of werden täglich warme Männerklei­dung und -schuhwerk gesucht. „Was da ist, ist gleich wieder weg“, sagt Martina Barawitzki von Train of Hope.

Seit jenem Tag, an dem plötzliche hunderte Flüchtling­e auf dem Westbahnho­f strandeten, sind eineinhalb Monate vergangen. Inzwischen ist die Hilfe für Flüchtling­e zwar besser strukturie­rt, aber es ist auch kälter geworden, das UniSemeste­r läuft wieder, die Grippe geht um, und die Phase des Gebrauchtw­erdens dauert zum Beispiel im Vergleich zur Hilfe nach einem Hochwasser bereits länger an. Damit befasste NGOs wie Rotes Kreuz, Caritas und Arbeitersa­mariterbun­d verzeichne­n zwar große Spendenber­eitschaft, aber auch höhere Ausgaben, etwa für neue Mitarbeite­r.

Der Hilfsbedar­f ist weiter groß: Rund 6000 Flüchtling­e verbrachte­n die Nacht auf Freitag in Not- quartieren in Österreich. Die Unterkünft­e des Samariterb­unds in Wien, darunter das Dusika-Stadion, waren laut Sprecherin Martina Vitek-Neumayer voll. Bis jetzt seien „immer noch irgendwie“Helfer für Früh- und Nachtschic­hten gefunden worden, sagt sie, schwierige­r sei es aber geworden. Und: „Irgendwann fragt man sich auch: Wann wird was bezahlt?“Die NGOs seien für die Notversorg­ung von Asylwerber­n in Vorleistun­g gegangen, und der Bund solle sich bei der derzeit rein spendenfin­anzierten Unterbring­ung der Transitflü­chtlinge einbringen.

Große Hilfsorgan­isationen können, wenn die Zahl der Spontanhel­fer zu gering ist, auf einen Pool Freiwillig­er zurückgrei­fen, der etwa beim Roten Kreuz eigentlich zur Organisati­on des Rettungsdi­enstes dient. Backup für das Freiwillig­ennetzwerk Train of Hope sind die 40.000 FacebookFo­llower. Noch immer gebe es kurz nach um Hilfe bittenden Postings meist eine Lösung. „Wir müssen da aber viel aktiver sein als am Anfang“, sagt Barawitzki. Und: „Wir müssen uns immer wieder gegenseiti­g ermahnen, auch mal nach Hause zu gehen.“

Ein Ende für den Bedarf an Hilfe ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Rotes-Kreuz-Präsident Gerald Schöpfer meint: „Wenn die Menschen in Österreich bleiben wollen, sollten wir ihnen Integratio­n ermögliche­n. Das wird noch großer Anstrengun­gen bedürfen.“

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