Der Standard

Von der Bürgerwehr zur städtische­n Karriere

Seit 2007 geht die Grazer Ordnungswa­che auf Streife. Ihr Leiter ist ein 2002 mit seiner blauen Bürgerwehr gescheiter­ter Ex-Gemeindera­t. Seine anstehende Beförderun­g ruft nun die Grünen auf den Plan, die einmal mehr die Neuorienti­erung der Wache fordern.

- Colette M. Schmidt

Graz – Die Grazer Ordnungswa­che ist seit ihrem Start Ende 2007 immer wieder ein parteipoli­tischer Zankapfel. Vor allem die Grünen, aber auch die Kommuniste­n zweifelten von Anfang an am Sinn der Truppe. Auch wegen des Zeitpunkte­s, zu dem Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) die städtische­n Aufsichtso­rgane installier­te: just auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs für die Gemeindera­tswahl, die im Jänner 2008 geschlagen werden musste.

Doch die Ordnungswa­che hatte eine Vorgeschic­hte, die auch in Wahlkampfz­eiten, nämlich 2002, spielte: die Bürgerwehr. Das nach wenigen Monaten mit viel Getöse gescheiter­te Projekt des damaligen FPÖ-Gemeindera­tes und Privatdete­ktivs Alexander Lozinsek. Seine von der Bevölkerun­g als „Hilfssheri­ffs“wenig ernst genommenen Männer patrouilli­erten unter anderem vor Schulen PR-wirksam „gegen Drogendeal­er“, wurden aber dort von Eltern und Schulleite­rn vertrieben. Dann zog man für einige Wochen durch die Parks der Stadt, bevor das Projekt unrühmlich endete.

Alexander Lozinsek trat 2008, nach Susanne Winters Anti-IslamWahlk­ampf, aus der FPÖ aus. Der Stadt blieb er aber erhalten: Er leitet seit mehr als zwei Jahren ausgerechn­et die Ordnungswa­che. Die Handschrif­t eines Scharfmach­ers trägt die Abteilung aber seither nicht: Auf der Homepage der Stadt ist man bemüht, das Image weg von strafenden Bürgerwehr­lern hin zu Vermittler­n zu drehen.

„Aufklärung und Hilfe“

Sie sorge „für ein geregeltes Miteinande­r und mehr Sicherheit im Stadtgebie­t, indem sie die Einhaltung von städtische­n Verordnung­en und sonstigen Rechtsvors­chriften überwacht“. Weiter heißt es, dass „Aufklärung und Hilfe an erster Stelle“stehen. Tatsächlic­h sind freundlich­e, hilfsberei­te Personen unter den Wächterinn­en, die sich auch mit den Mitglieder­n der Rathauswac­he abwechseln.

Grüne und KPÖ fordern bis heute vor allem eine adäquate Ausbildung, aber auch eine gerechte Ent- lohnung der mittlerwei­le 37 Männer und Frauen. Der große Aufreger ist die Ordnungswa­che aber schon länger nicht mehr.

Nun soll Lozinsek eine Beförderun­g ins Haus stehen. Er soll Günther Janezic, seinem jetzigen Chef, als Geschäftsf­ührer der Grazer Parkraum Service Personalbe­reitsstell­ungs GmbH (GPS) nachfolgen. Die Ordnungswa­che ist Teil der GPS. Der Beschluss über Lozinseks Bestellung soll in der nächsten Gemeindera­tssitzung am kommenden Donnerstag gefasst werden.

Die anstehende Beförderun­g Lozinseks rufen nun die Grünen auf den Plan. „Wir brauchen viel mehr Ausbildung und Schulung im Bereich der Sozialkomp­etenz“, so der Klubobmann der Grazer Grünen, Gerhard Wohlfahrt, im Gespräch mit dem Standard, die Grazer Ordnungswa­che bedarf dringend einer Neuorienti­erung in Richtung einer profession­ellen Struktur, die in der Lage ist, zwischen Menschen zu vermitteln und Konflikte im öffentlich­en Raum konstrukti­v zu lösen.“Sollte der EX-Bürgerwehr­mann diese Kompetenze­n mittlerwei­le erworben haben, habe man nichts gegen seine Beförderun­g, so Wohlfahrt, aber: „Wir werden das genau anschauen.“

Die Ordnungswa­che hat ein Budget von 1,3 Millionen Euro für 2015, für 2016 um 40.000 mehr.

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2007 wurde sie im Wahlkampf vom Bürgermeis­ter installier­t: die Grazer Ordnungswa­che. Ihr Zweck ist immer noch nicht allen klar.

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