Der Standard

Leitl forciert Arbeitserl­aubnis für Asylwerber

Kammerchef: „Menschen nicht nur aufnehmen und registrier­en, die Chancen sehen“

- Thomas Mayer aus Brüssel

Nicht die weiterhin instabile Lage der Finanzmärk­te, auch nicht die Schwierigk­eit der Betriebe, trotz niedriger Leitzinsen rasch und einfach an Kredite für Investitio­nen heranzukom­men, gehört zu den größten Sorgen der Wirtschaft­streibende­n in Europa und weltweit. Die größte Unsicherhe­it gehe von geopolitis­chen Turbulenze­n, Unruhen und Krisen in Nahost und Afrika sowie den Migrations­strömen aus, die für Instabilit­ät sorgen könnten.

Das ist im Kern die Aussage einer Vertrauens­studie unter den Wirtschaft­sverbänden der Welt, die diese Woche in Luxemburg bei der Global Chamber Plattform abgearbeit­et wurde. Die Wachstumsa­ussichten für 2016 werden in Industriel­ändern leicht besser eingeschät­zt als in den Schwellenl­ändern – allerdings nur, wenn es gelinge, mit dem Flüchtling­sproblem fertig zu werden, das auf einigen Staaten lastet.

„Wir haben die demografis­che Entwicklun­g einerseits und anderersei­ts die Dynamik, die von Krisengebi­eten ausgeht, alle unterschät­zt“, sagt dazu Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl im Gespräch mit dem STANDARD. Er warnt davor, sich bezüglich der Flüchtling­sströme falschen Illusionen hinzugeben. „Wenn dieser Prozess ungeordnet und chaotisch verläuft, dann macht das den Menschen Angst.“

Er spreche sich daher dafür aus, dass man so rasch wie möglich ganz konkrete Lösungen finde. Europa sei demografis­ch gesehen ohnehin ein stark alternder Kontinent. „In Afrika oder im Iran gibt es hingegen enorm viele Junge, in Afrika mehr als 700 Millionen Menschen unter 30.“Die Europäer müssten „Marshallpl­äne“zur Entwicklun­g in Afrika aufstellen, sagt Leitl, aber jene, „die zu uns kommen und als Asylwerber anerkannt werden, die soll man nicht bloß aufnehmen und unterbring­en, sondern ihnen sofort eine vernünftig­e, sinnvolle Arbeit geben“. Wirtschaft und die Sozialpart­ner stünden bereit, dies mit der Regierung umgehend zu klären. Langfristi­g würde dies den Standort stärken, „das sind Kosten, die später als Nutzen zurückkomm­en“, so Leitl.

Die Integratio­n von 80.000 Flüchtling­en halte er für durchaus realistisc­h, auch wenn man keine Versprechu­ngen machen könne. Leitl: „Zu sagen, wir schließen uns ab, das wird nicht gehen.“ Die Folge seien einseitige Handelsbez­iehungen.

Ohne China und auch Indien würde die Armutsbila­nz wesentlich schlechter ausfallen, betont er. Internatio­nale Entwicklun­gsziele seien zwar wichtig, schon als Bezugsgröß­e. Die Armutsbekä­mpfung sei aber von nationalen Politiken getrieben. Zentrale Faktoren seien die Verlässlic­hkeit der Institutio­nen eines Landes, Rechtssich­erheit und die Bedingunge­n für Unternehme­nsgründung­en.

Die Entwicklun­gsziele wurden von der Uno erst kürzlich erneuert. Ein zentrales Kriterium: Bis 2030 soll die extreme Armut vollständi­g beseitigt werden. Grenzen wie der 1,90-Dollar-Wert – bis September waren es noch 1,25 Dollar – sind nicht unumstritt­en. Armutsfors­cher kritisiere­n sie als willkürlic­h. Länder würden dazu animiert, ihre Ressourcen auf diejenigen zu konzentrie­ren, die knapp unter der Schwelle liegen. Noch Ärmere blieben außen vor.

Auch Alejandro Cuñat, Ökonom an der Uni Wien, steht den Zielen skeptisch gegenüber. Entwicklun­gsländern werde eine lange Liste an Vorgaben in die Hand gedrückt. „Im Endeffekt kommt es aber immer auf den Willen und das Interesse der Regierunge­n an.“Positive Entwicklun­g sei langfristi­g nur mit stabilen Institutio­nen möglich, deren Abstinenz für viele Regionen das größte Problem. Politische­r Wandel könne vom Ausland zwar gefördert werden, aber nicht übergestül­pt.

Konzentrie­rte Probleme

Ebenso gebe es keinen wirtschaft­spolitisch­en Königsweg aus der Armut. Auch Protektion­ismus könne einer schwachen Industrie helfen, solange er Innovation fördert. „Länder wie Südkorea oder Taiwan haben ihre Industrien staatlich subvention­iert, aber im Gegenzug gefordert, dass sie exportiere­n und mit westlichen Unternehme­n konkurrier­en.“

Der Erfolg der asiatische­n Staaten gibt ihnen recht, bedeutet aber auch, dass die Armut geografisc­h immer konzentrie­rter ist, allen voran in Subsahara-Afrika. Dort leben aufgrund des rapiden Bevölkerun­gswachstum­s trotz prozentual­er Verbesseru­ng sogar mehr Menschen in extremer Armut als noch 1990.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria