Athen stopft Budgetlöcher bis zur letzten Minute
Griechisches Parlament sollte über Sparpaket abstimmen – besonders unpopuläre Steuern zurückgezogen
Athen/Wien – Nur Stunden vor dem Votum über das erste Paket von Spargesetzen nach dem Wahlsieg suchte die Regierung von Griechenlands Premier Alexis Tsipras immer noch nach Geldquellen, um Steuererhöhungen zu vermeiden. Auf Hilfe von der proeuropäischen Opposition konnte Tsipras am Freitag nicht mehr zählen. „Wir haben für das Kreditprogramm gestimmt“, sagte der Vorsitzende der konservativen Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis. „Die Maßnahmen gehören ihnen“.
Das Gesetzespaket musste Freitagmitternacht angenommen werden. Erst danach werden die Gläubiger den ersten Teil einer Teilrate des neuen Rettungskredits für Griechenland auszahlen: zwei von drei Milliarden Euro; 86 Milliarden Euro soll der Gesamtkredit bis 2018 betragen.
Reformkatalog der Gläubiger
Die regierende Koalition der linksgerichteten Partei Syriza von Tsipras mit der kleinen rechtspopulistischen Partei Anel muss dabei einen Katalog von 48 Sparund Reformmaßnahmen der Gläubiger abarbeiten. Das am Freitag zur Abstimmung anstehende Paket sollte zwölf bis 15 dieser Maßnahmen enthalten, gab Finanzminister Euklid Tsakalotos zwischenzeitlich an.
Wegen Protesten in der Öffent- lichkeit zog die Regierung diese Woche zunächst eine geplante Erhöhung der Steuer auf Mieteinnahmen zurück. Dies sollte dem Haushalt 200 Millionen Euro einbringen. Ursprünglich sollte der Staat auch direkt Zugriff auf die Mietzahlungen haben.
Aussetzen wollte die Regierung auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Privatschulen – eine Maßnahme, die eher die Mittelund Oberschichten betrifft. Die Anwendung des höchsten Steuersatzes von 23 Prozent sollte dem Staatshaushalt 350 Mio. Euro im nächsten Jahr einbringen. Die orthodoxe Kirche, Lehrerverbände, Eltern und die Konservativen der Nea Dimokratia liefen dagegen Sturm. Tsipras will eine Entscheidung über die Privatschulen bis zum endgültigen Haushaltsentwurf für 2016 im November aufschieben. Der Wegfall von Steuerrabatten auf einigen Ägäisinseln wurde zum Durcheinander, meldeten griechische Medien.
Besuch von Hollande
Frankreichs Präsident François Hollande wird am 23. Oktober in Athen erwartet; Hollande wird vor dem Parlament sprechen. Außer Kanzler Werner Faymann und der deutschen Regierungschefin Angela Merkel reisten seit Beginn der Finanzkrise 2010 kaum Staatsund Regierungschefs der EU nach Athen. (mab)