Der Standard

Sommermärc­hen im Korruption­sgerede

Deutsche Fußball-WM soll gekauft gewesen sein – Unschuldsv­ermutung für alle

- Der Spiegel

Hamburg/Frankfurt/Wien – Das Zusammenzä­hlen von eins und eins ergibt in der überwiegen­den Zahl der Fälle zwei. Man muss aber nicht unbedingt auf das richtige Ergebnis kommen, weshalb das Nachrichte­nmagazin schon mit Worten wie „vermutlich“oder „offenbar“operiert, wenn es behauptet, dass deutsche Funktionär­e die WM 2006 gekauft haben. Das Bewerbungs­komitee, dessen Chef Franz Beckenbaue­r war, habe demnach im Frühsommer 2000 eine schwarze Kasse eingericht­et, die vom seinerzeit­igen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus mit einem Darlehen in Höhe von 10,3 Millionen Franken, damals 13 Millionen Mark, gespeist worden sein soll.

Dempseys Umfaller

Am 6. Juli 2000 setzte sich die deutsche Bewerbung in Zürich letztlich mit zwölf zu elf Stimmen gegen Südafrika durch. Entscheide­nd war die eher überrasche­nde Enthaltung des Neuseeländ­ers Charles Dempsey, der eigentlich als sichere Stimme für Südafrika galt. Bei 12:12 hätte die Stimme von Joseph Blatter entschiede­n. Der Präsident des Weltverban­des Fifa war ein vehementer Befürworte­r der ersten WM in Afrika, die dann ja wie flugs ausgemacht 2010 stattfand.

Der Spiegel mutmaßt, dass Stimmen von vier asiatische­n Vertretern aus der ebenfalls mutmaßlich­en Schwarzen Kasse gekauft worden seien. Einer der vier Herren, Chung Mong-joon, beschied auf Nachfrage des Magazins, dass diese einer Antwort nicht würdig sei. Der reichste Mann Südkoreas war erst am 8. Oktober dieses Jahres von der Fifa-Ethikkommi­ssion für sechs Jahre gesperrt worden, weil er angeblich seinem Heimatland die WM 2022 durch Einzahlung von 690 Millionen Euro in einen Fifa-Entwicklun­gsfond sichern wollte. Chung Mong-joon geht in diesem Fall von einer Intrige Blatters aus, den er gerne als Präsident beerbt hätte. Warum sich der Hyundai-Erbe vor zehn Jahren für eine vergleichs­weise lächerlich­e Summe verkauft haben soll, ist die Frage.

Fraglos merkwürdig ist, dass der Deutsche Fußballbun­d (DFB) am Freitag bekanntgab, dass eine 2005 an die Fifa erfolgte Zahlung des deutschen WM-OKs, dem Wolfgang Niersbach als Pressechef diente, möglicherw­eise zweckentfr­emdet worden sei. Es handelte sich um 6,7 Millionen Euro, die dem Fifa-Kulturprog­ramm zugutekomm­en sollten. DFB-Präsident Niersbach hatte kürzlich eine Überprüfun­g dieses Geldflusse­s angeordnet.

Der Spiegel kombiniert nun, dass es sich in Wirklichke­it quasi um die Begleichun­g der Schuld gegenüber Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus handelte – über den nicht ganz leicht nachvollzi­ehbaren Umweg Fifa. Im Aufsichtsr­at des WM-Oks, welches das spätere Sommermärc­hen verantwort­ete, saßen übrigens der heutige Chefolympi­er Thomas Bach und der aktuelle deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble. (sid, lü)

 ?? Foto: AP / Frank Augstein ?? Franz Beckenbaue­r war OK-Chef der WM ’06, Wolfgang Niersbach (links) seine Pressechef. Heute ist der eine immer noch Kaiser und der andere der DFB-Boss.
Foto: AP / Frank Augstein Franz Beckenbaue­r war OK-Chef der WM ’06, Wolfgang Niersbach (links) seine Pressechef. Heute ist der eine immer noch Kaiser und der andere der DFB-Boss.

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