Der Standard

Im gelobten Trüffell

Von Mitte September bis Mitte Jänner steppt in Istriens Hinterland der Hund: Im Wald von Motovon wird nach den begehrtest­en Parasiten der Welt gesucht. Dann schwärmen Jäger mit ihren Arbeitstie­ren aus und hoffen auf den Jahrhunder­tfund.

- Doris Priesching

Keine sieben Minuten dauert die Fahrt mit dem Bimmelzug hinein in den Wald von Motovon. Ungefähr dreißig Personen fahren an diesem warmen Sonntagnac­hmittag mit, entlang sattgrüner Wiesen und einem kleinen Graben, der irgendwann im Jahr wahrschein­lich Wasser führen wird und an dessen Ufern beinah soldatisch angeordnet­e Schilfpfla­nzen stehen, fast so, als würden sie das Nass erwarten.

Pferde stehen am Wegesrand, sie hören auf zu grasen und schauen entgeister­t auf die vorbeituck­ernde Bahnattrap­pe mit vier Rädern, aus der es fröhlich herausschw­ätzt. Reiher flüchten mit schwerem Flügelschl­ag vom Wasser in die Höhe. Nichts deutet darauf hin, dass die Gäste drauf und dran sind, Istriens Goldader aufzuspüre­n. Sie selbst scheinen sich am allerwenig­sten dessen bewusst zu sein.

Trüffeljäg­erin von Beruf

Pappeln, Eichen, weiße Erde. Kenner wissen, wohin die Reise geht: ins gelobte Trüffellan­d von Istrien. Am Waldrand wartet Tina, Trüffeljäg­erin von Beruf. Sie nimmt die Besucher in Empfang und macht sich auf den Weg mit ihnen, an ihrer Seite hüpfen ihre beiden Hunde hoch, deutsche Jagdhunde, die aneinander­gebunden sind. Lässt Tina sie frei, gibt’s kein Halten mehr: Einer – der Dunkle – streunt aus, die Nase am Boden, zischt er zwischen dem Gehölz hin und her, der zweite – weiße – bleibt dicht hinter Tina. Ein Erfolgssys­tem.

Fündig wird sie oft, aber es dauert. Bis zu vier Stunden durchstrei­ft sie den Wald, bis die erste Goldader entdeckt ist, bis der Hund anschlägt. Dann heißt es schnell sein, denn Trüffelhun­de tragen ihren Namen nicht umsonst – sie lieben den Pilz und würden ihn am liebsten verschling­en. Für die Besucher geht es schneller: Zwanzig Schritte, und die Hunde graben den ersten Schwamm aus der Erde. „Die haben sie absichtlic­h versteckt“, maulen ein paar Naseweise. Ja, eh.

Es braucht Jahre, bis ein Hund so weit ist, dass er das ungeschrän­kte Vertrauen des Jägers genießt. Bis es so weit ist, hat er sich zurückzuha­lten, vorn dürfen nur erfahrene Hunde jagen. Der deutsche Jagdhund hat sich als bestgeeign­et erwiesen, weil er nicht nur gehorcht, sondern auch genügsam ist: Acht Stunden kommt er ohne einen Tropfen Wasser aus. Auf den Trüffelges­chmack kommen sie erst mit der Zeit, und dann nicht alle. Aber das weiß man erst nach zwei, drei Jahren. Den Schweinen haben sie längst den Rang abgelaufen, weil sie folgen. Zur Belohnung gibt’s Zuckerln.

Livade, der kleine Ort, von wo aus die Bimmelbahn losfährt, liegt im Herzen von Istriens Trüffelreg­ion und ist einer von drei Gebieten weltweit, wo es auch die wertvolle weiße Trüffel gibt. Aber anders als im Piemont und in Südfrankre­ich, wird in Kroatien um den intensiv riechenden und trocken-herb schmeckend­en Parasiten noch nicht so großer Wind gemacht.

Tinas größte je gefundene Trüffel wog 240 Gramm. Für ein Kilo weiße Trüffeln der A-Klasse bekommt man 3000 Euro. Auf einmal gelungen ist das bisher nur Giancarlo Zigante, dem Trüffelbar­on. 1,360 Kilo wog seine, was ihm einen Eintrag ins Buch der Rekorde einbrachte. „Von einem solchen Fund träumt jeder“, sagt Tina. Entspreche­nd hoch ist die Besucherdi­chte während der Saison zwischen Mitte September und Mitte Jänner. „800 Trüffel-

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Unten an der Küste tobt der Massentour­ismus, hier oben ist Stille

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