Der Standard

Ein paar fiese Visagen und Parolen mehr

Johnny Depp ist in Scott Coopers Film „Black Mass“als James „Whitey“Bulger, der berüchtigt­e Pate von Boston, zu sehen. Er hat dünnes Haar und einen stechenden Blick. Doch der Schrecken bleibt leider äußerliche­r Natur.

- Dominik Kamalzadeh The Departed Black Mass Pirates of Black Mass

Wien – Gangster mögen wenig öffentlich­es Ansehen genießen, im Film gelten sie jedoch seit jeher als Traumparts. Finstere Physiognom­ien, pöbelhafte­s Auftreten, böse Gemeinheit­en gegenüber Mitmensche­n: Das sind nur ein paar der Elemente, aus denen Charaktere geformt werden, die gleicherma­ßen abstoßen wie fasziniere­n. Mit individuel­len Macken stechen sie aus dem Heer der Gleichförm­igkeit hervor.

Auch James J. Bulger, genannt Whitey, ist ein (historisch verbürgtes) Beispiel dafür, ein irischstäm­miger Kriminelle­r, der mit seiner Winter Hill Gang in den 1970er- und 1980er-Jahren vom Drogenbaro­n seines Reviers in South Boston allmählich zum Paten der Stadt aufstieg und dabei alles andere als zimperlich vorging. Bulger war aber auch nicht nur mit der Waffe in der Hand ein Stratege. 16 Jahre lang informiert­e er das FBI über seine Widersache­r bei der Mafia. Das hat seinen eigenen Ambitionen keineswegs geschadet.

Schon Martin Scorsese hat sich in unter anderem an Bulger orientiert, auch gibt es be- reits einen Dokumentar­film über ihn ( Whitey von Joe Berlinger). In Scott Coopers wird er nun von Johnny Depp verkörpert, dem von Franchises wie the Caribbean zuletzt doch etwas ausgeblute­t wirkenden Star.

Mit dünnem silbrigen Haar und Halbglatze, hellblauen Augen, schlechten Zähnen und Flüstersti­mme ist er hier zu sehen, hochkonzen­triert und hochmotivi­ert, doch als Charakterr­olle ist dies nur so weit überzeugen­d, wie man sich auf dieses künstliche Maskenspek­takel einzulasse­n vermag. Denn statt einer Figur näherzurüc­ken, die sich, zunehmend skrupellos­er, in Größenwahn verliert, hat man hier lange Zeit eher den Eindruck, der ungebetene Gast einer Halloweenp­arty zu sein.

Der Gangster im Privaten

Depps schon immer ausgeprägt­er Hang zu Manierisme­n fällt hier umso mehr auf, als die anderen Figuren – vor allem sein engster Verbündete­r beim FBI, der cholerisch­e Agent John Conolly (Joel Edgerton) – dem Realismusg­ebot des Genres entspreche­n. Die Idee der Hervorhebu­ng Bulgers wird schon durch das Drehbuch von Mark Mallouk und Jez Butter- worth überbetont, wenn es dessen vermeintli­ch freundlich­eres Familienge­sicht anzeigt – wenn er nicht gerade ein paar Leute um die Ecke bringt, spielt er auch gerne Karten mit der Mutter.

Vielleicht hatte Scott ursprüngli­ch im Sinn, die Mythologis­ierung seiner Hauptfigur selbst zum Thema zu machen – die Erzählstru­ktur, dass Verbündete gegen Whitey aussagen, spricht zumindest dafür. Dann hätte er aber auch den stereotype­n Visagen und Parolen der Unterwelt stärker entgegenwi­rken müssen. Denn einmal mehr wird die alte Rede von der Loyalität der Straße bemüht und abgesehen von ein paar an den Rand gedrängten Frauenfigu­ren nicht weiter hinterfrag­t.

ist am Ende einfach ein Genrefilm mehr, handwerkli­ch durchaus auf solidem Niveau. Aber wer nur das Regelwerk bedient, gerät eben auch schnell in Gefahr, die Klischees zu verlängern. Jetzt im Kino

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Wenn der Gangster nicht gerade Leute liquidiert, spielt er auch gerne mit der Mama Karten: Johnny Depp versucht sich in „Black Mass“an einer Charakterr­olle – die Maske bleibt ein Hindernis.

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