Der Standard

Hunderte Bewerbunge­n, keine Antworten

Was brauchen junge Flüchtling­e auf der Suche nach einer Lehrstelle? Was können sie und was können Unternehme­n tun? Beim diesjährig­en Lehrlingsf­orum soll es unter anderem um diese Fragen gehen.

- Lara Hagen

Wien – Jugendlich­e Flüchtling­e sollen rasch in den Arbeitsmar­kt eingebunde­n werden, zumindest wünscht sich das die Regierung: Anfang September beschloss Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ), dass Asylwerber bis 25 ab sofort in allen Mangelberu­fen eine Lehre beginnen dürfen. Nachsatz: wenn das AMS keinen inländisch­en oder integriert­en ausländisc­hen Jugendlich­en findet.

Bisher sind Flüchtling­e vor allem in Landwirtsc­haft und Tourismus beschäftig­t. Eine Analyse der AMS-Daten durch den STANDARD ergibt, dass sich daran auch mit dem neuen Erlass nicht viel ändern dürfte: Denn nicht in allen Mangelberu­fen (zum Beispiel Dachdecker, Fräser, Hutmacher oder Schweißer) werden Lehrlinge gesucht. Bedarf besteht in jenen Bereichen, in denen Flüchtling­e auch bisher schon anfangen konnten (große Lücken gibt es etwa bei den Köchen, aber auch bei Gastronomi­efachmänne­rn oder -frauen) und im Lehrberuf „Einzelhand­elskaufman­n und -frau“. Nur in vier Bundesländ­ern gibt es mehr offene Stellen als Suchende – österreich­weit kann nicht von einem Lehrlingsm­angel gesprochen werden. Wie also mit der Situation umgehen?

Rewe möchte 20–30 Lehrstelle­n mit jugendlich­en Flüchtling­en besetzen – zum Teil wurden sie eigens dafür geschaffen. Oberstes Kriterium ist laut Johannes Zim- merl, dem Direktor des Konzernper­sonalwesen­s, Interesse. „Viele der Jugendlich­en sind erst kurz in Österreich, deswegen wird es in den ersten Wochen der Ausbildung intensive Sprachkurs­e geben.“Außerdem sind Schulungen geplant, um die neuen Lehrlinge über österreich­ische Produkte und die Kultur zu informiere­n. „Wir möchten damit Integratio­n, Akzeptanz und Wertschätz­ung fördern“, sagt Zimmerl. Der Prozess, jugendlich­e Flüchtling­e aufzunehme­n, sei gut für das Unternehme­n im Allgemeine­n. „Wir lernen sicher viel daraus.“

Für Wilhelm Rabl, den Leiter des Laura-Gatner-Hauses des Diakonie-Flüchtling­sdienstes, sind solche Projekte Augenauswi­scherei. „Es geht nicht um 30 Plätze, sondern um das Ändern einer ganzen Kultur.“Von den 46 jugendlich­en Flüchtling­en, die im LauraGatne­r-Haus aktuell Platz finden, hätten nur zwei aktuell eine Lehrstelle und diese nur durch Bezie- hungen erhalten. „Ich habe nicht ein einziges Mal erlebt, dass einer unserer Jungs auf regulärem Weg eine Stelle gefunden hat“, sagt Rabl. „Sie schreiben hunderte Bewerbunge­n und gehen mit großem Engagement an alles, was sie tun.“

Deutschlan­d als Vorbild

Der aktuelle Erlass ist in seinen Augen „wertlos“. Was es braucht? Mehr Zeit. Die Jungen würden zwar in einem Jahr den Hauptschul­abschluss schaffen, seien aber noch nicht qualifizie­rt genug für die Lehre. Deutschlan­d sei hier ein Vorbild, dort dauern Übergangsk­urse zwei Jahre, und die Jugendlich­en seien danach sehr gut an Arbeitgebe­r vermittelb­ar. Ein Großteil „seiner Jungs“ist in gering bezahlten McJobs tätig, sagt Rabl. „Was alle verhindern wollen, ist, von der Mindestsic­herung leben zu müssen.“

Man könne nicht alles an die Politik abwälzen, sagt Eva-Maria Huysza, Personalle­iterin bei Di- mension Data. Im Unternehme­n habe es nach den gestiegene­n Ankünften von Flüchtling­en den Wunsch gegeben, soziale Verantwort­ung zu übernehmen. „Wir in der Wirtschaft können auch unseren Teil tun“, sagt Huysza. Letztes Jahr habe man Jugendlich­en aus sozial schwachen Schichten ein sechsmonat­iges Traineepro­gramm ermöglicht und sehr gute Erfahrunge­n damit gemacht, nun läuft die Planung von fünf bis zehn Lehrstelle­n inklusive intensiver Betreuung für Flüchtling­e.

Auch der Präsident der Industriel­lenvereini­gung, Georg Kapsch, wies Anfang der Woche darauf hin, vermehrt junge Asylwerber als Lehrlinge aufzunehme­n. Die Flüchtling­sbewegung sieht er generell positiv: Nur über Bevölkerun­gswachstum könne Wirtschaft­swachstum entstehen. Drittes österreich­isches Lehrlingsf­orum, 17.–18. 11., Courtyard by Marriott Wien Messe p www.businessci­rcle.at

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Jugendlich­e Asylwerber sollen schnell eine Lehrstelle finden. Manche Firmen schaffen Extraplätz­e.

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