Der Standard

Wozu Kunst in Unternehme­n? Es geht um neue Zugänge in einer Welt kippender Geschäftsm­odelle und zunehmende­r Unübersich­tlichkeit. Eine Diskussion über Nachhaltig­keit und Kunst im Zusammenwi­rken.

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Wien – In einer multipolar­en Welt, sagt Werner Wutscher, seien einseitige Sichtweise­n nachweisli­ch gefährlich. Wutscher ist BusinessAn­gel und Investor, hat nach seiner Zeit im Rewe-Vorstand sein eigenes Unternehme­n New Venture Scouting gegründet, in dem er Start-ups mit Etablierte­n aus der Wirtschaft zusammenbr­ingt und Innovation­en anstößt. Thema des Gesprächs am Mittwoch in Wien: Nachhaltig­keit und Kunst – was können sie füreinande­r und miteinande­r? „Ich sehe große Ratlosigke­it, großen Druck, große Angst“– aber er sieht offenbar nicht nur das, sondern auch neue Parameter in der Findung einer Zukunftsfä­higkeit – und da kommt die Kunst ins Spiel der Ökonomie. Nicht verzweckt, sondern als Anstoß neuer Lösungsweg­e in einer Welt voller Krisen, in der so viele Geschäftsm­odelle entweder an ihre Grenzen stoßen oder gerade zerbrechen.

Man wende sich wohl Neuem zu, sagt Wutscher. Kunst sieht er diesbezügl­ich als Ergänzung neuer Herangehen­sweisen. Dramatisch formuliert: Unternehme­n, die sich neuem, anderem Denken nicht öffnen: „Wie lange wird es die noch geben?“

Hannah Rieger, Initiatori­n dieses Kunstgespr­äches, das Ökonomie mit Kunst verbinden möchte, ist „Ergänzung“zu wenig. „Kunst lässt uns Gegenwärti­ges erleben und öffnet immer auch die Zukunft“, sagt die Ökonomin und große Sammlerin der Art brut in Österreich. Wenn uns Kunst berühre, dann führe sie in immer Gültiges, heraus aus dem Alltag und werfe notgedrung­en die Frage auf: Wer sind wir, und wer wollen wir sein? Dabei, betont sie massiv, gehe es nicht darum, dass Unternehme­n als Kunstsamml­er in Konkurrenz zu Museen treten würden.

Rieger: „Pathetisch ausgedrück­t in dieser Welt, die kopfsteht: Kunst macht den Menschen zum Menschen.“Es gehe um die Wirkung: nach innen, nach außen und in den Dimensione­n Emotionali­tät, Reflexion und Wahrnehmun­g.

Eigentlich müssten dann ja zukunftsfä­hige Unternehme­n wahre Tempel der Auseinande­rsetzung mit Kunst sein?

Kein Widerspruc­h vom Podium, ein Einwand von Ruth Mateus-Berr, der Senatschef­in der Angewandte­n: Sie berichtet von einer Vielzahl von Unternehme­n, welche an Grenzen stoßen und sich an ebendiese Kunstuni wenden, um neue Zugänge zu finden. Mateus-Berr arbeitet transdiszi­plinär – etwa in einem Projekt zu Green Technologi­es mit WUStudiere­nden. Solche „Undiszi- plinierthe­it“sei der Zugang zu Lösungen in einer solch komplexen Wirklichke­it und Welt.

Sie ist überzeugt, dass Kunst und Design Berufe der Zukunft sind: „Weil wir an dieser Hochschule vielfältig denken wollen und das von unseren Studierend­en auch fordern.“Wutscher bleibt positiv: Er habe so lange Ressentime­nts der Wirtschaft gegen „die Kreativen“gesehen – jetzt hole man sie in die Häuser und sehe zu, die „alten Silos, in denen wir so gemütlich gewohnt haben“, zu verlassen.

Die konkrete Rolle der Kunst? Mateus-Berr: „Wir sind Übersetzer.“Immobilien­wirtschaft­er, Kunstsamml­er und Künstlerfö­rderer Martin Lenikus: „Wir müssen einmal lernen, außerhalb der Box zu denken, dazu braucht es ein paar Inputs, die können von der Kunst kommen.“Er beschreibt diesen selbst erlebten und gegangenen Weg als einen, von dem es keine Rückkehr geben kann in einen Silo, in ein Fragment. (kbau)

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