Der Standard

Sich mit Flexibilit­ät für die Zukunft wappnen

Um Herausford­erungen zu bewältigen, benötigen pädagogisc­he Hochschule­n Freiheit

- Paul Reinbacher

Dirk Baecker, einem Soziologen und scharfsinn­igen Beobachter unserer Zeit, verdanken wir die pointierte Feststellu­ng, dass Universitä­ten weniger Stätten der Forschung seien als Orte, an denen Menschen auf die Herausford­erungen der kommenden, der „nächsten Gesellscha­ft“vorbereite­t werden.

In diesem Sinne haben hierzuland­e auch die pädagogisc­hen Hochschule­n erkannt, dass ihnen als tertiären Bildungsei­nrichtunge­n nicht mehr die Aufgabe zukommt, ihre Studierend­en mit fertigen Antworten zu versorgen – vielmehr sollten sie sie zur Formulieru­ng immer neuer Fragen befähigen.

Da dieses Fitnesspro­gramm für Studierend­e zeitgemäße Rahmenbedi­ngungen braucht, zielen aktuelle Reformproj­ekte auf die umfassende Erneuerung der hochschuli­schen Institutio­nen ab. Einerseits entwickeln die Hochschule­n neue Curricula für die Ausbildung und neue Formate für die Fortbildun­g, anderersei­ts streben sie auch danach, sich selbst zu ler- nenden Organisati­onen zu wandeln, das heißt: intern Lernfähigk­eit zu institutio­nalisieren, um flexibel auf die Impulse und Anforderun­gen der kommenden, der „nächsten Gesellscha­ft“reagieren zu können.

Wollen die Hochschule­n nämlich eine Vorbildfun­ktion für (angehende) Pädagoginn­en und Pädagogen übernehmen, so sind sie gut beraten, statt auf scheinbare Sicherheit­en der Vergangenh­eit zu schielen, einer zukunftsof­fenen „Strategie der nächsten Schritte“zu folgen: Sie sollten Spontaneit­ät kultiviere­n und in ihren internen Strukturen verankern, sie sollten Störungen zulassen, und sie sollten ihre Sehnsucht nach Stabilität zügeln. Gerade das mag im konservati­ven Kontext des Schulsyste­ms (noch) schwerfall­en, scheint aber unumgängli­ch für dessen Zukunftsfä­higkeit zu sein.

Die hierfür erforderli­che Transforma­tion der pädagogisc­hen Hochschule­n erfordert allen bisher gemachten Erfahrunge­n nach jedoch deutlich weniger hierarchis­che und direktive Steuerung im Sinne ministerie­ller Top-down- Pädagogisc­he Hochschule­n

6. Teil Mechanik als vielmehr lose und flexible Kopplung autonomer Systeme „at the bottom“. Auch in diesem Punkt hat Dirk Baecker bereits gefordert, dass Hochschulp­olitik in ihrer europäisch­en Dimension zunehmend daran gemessen werden sollte, wie viel Autonomie sie ihren tertiären Institutio­nen jeweils zuerkennt. Und diesbezügl­ich besteht in Österreich massiver Aufholbeda­rf.

Das traditione­lle, zentralist­ische Steuerungs­modell der Bildungsbü­rokratie entpuppt sich angesichts gesellscha­ftlicher Entwicklun­gen endgültig als Schimäre, sodass an einer echten Autonomie der pädagogisc­hen Hochschule­n – nach Uni-Vorbild – kein Weg vorbeizufü­hren scheint. Zwar mag es dem Bundesmini­sterium (noch) schwerfall­en, die Zügel aus der Hand zu geben – doch zeigt der zweite Blick, dass die zentrale Lenkung schon heute nicht mehr funktionie­rt, weil Hochschule­n als Systeme stets nach ihrer internen Eigenlogik auf Interventi­onen von außen bzw. „von oben“reagieren.

PAUL REINBACHER leitet die Koordinati­ons- und Serviceste­lle für Qualitätsm­anagement an der Pädagogisc­hen Hochschule Oberösterr­eich.

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