Der Standard

Grenzsiche­rung: EU-Partner setzen Athen unter Druck

Berlin für Frontex-Einsatz in Mazedonien Wien: Entschärfu­ngen bei „Asyl auf Zeit“

- Thomas Mayer aus Amsterdam

Amsterdam/Wien – Kaum hat sich der Streit der Europartne­r mit Griechenla­nd um Hilfsprogr­amme und Reformen beruhigt, droht in der Union der nächste Konflikt mit der Regierung in Athen. Beim Treffen der EU-Innenminis­ter in Amsterdam kritisiert­en mehrere Staaten und die EU-Kommission, dass Griechenla­nd die vereinbart­en Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtling­sstroms beziehungs­weise zur legalen Abwicklung der Asylverfah­ren nicht umsetze. So sei von fünf vereinbart­en Hotspots erst einer in Betrieb. Athen trachte danach, Flüchtling­e schnell via Mazedonien außer Landes zu bringen. Der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maiziè- re sprach sich für einen Einsatz der EU-Grenzschut­zagentur Frontex an der Grenze zwischen Griechenla­nd und Mazedonien aus. Griechenla­nd wies die Vorwürfe zurück.

In Wien wird heute, Dienstag, die Novelle mit „Asyl auf Zeit“beschlosse­n. In einzelnen Fällen wird auf den Prüfautoma­tismus verzichtet. (red)

Die niederländ­ische Regierung hat keine Kosten und Mühe gescheut, damit sich ihre Gäste aus Europa bei informelle­n EU-Ministerrä­ten in Amsterdam wohlfühlen. Vor dem Schifffahr­tsmuseum im Hafen von Amsterdam ließ sie auf einer Wiese provisoris­ch ein Tagungszen­trum aufbauen, das technisch alle Stückerln spielt – samt Speisesäle­n und exzellente­r Küche.

Wenn nervöse Minister in der größten „Multikrise“der Union seit Jahrzehnte­n zahlreiche komplizier­te Probleme besprechen müssen, dann wenigstens mit beruhigtem Magen, mag die Überlegung sein. Bis Anfang Juli wird das Land turnusmäßi­g den EU-Vorsitz führen. Bis dahin muss vor allem und dringend eine gemeinsame Lösung zur Entspannun­g der Flüchtling­skrise gefunden werden, die seit September immer mehr Staaten politisch zu destabilis­ieren droht. Sonst könnte „in sechs bis acht Wochen“eine Art Notstand eintreten, „ein Plan B, über den ich jetzt noch nicht sprechen will“, nötig werden.

Das raunte Premier Mark Rutte vergangene Woche ins EU-Parlament, ohne auf Details einzugehen. Dementspre­chend groß war die Erwartung am Montag, als die 28 Innen- und Justizmini­ster vorfuhren. Amnesty Internatio­nal hatte im Hafenbecke­n ein Originalfl­üchtlingsb­oot mit Menschenpu­ppen festgetaut, um daran zu erinnern, worum es geht, symbo- lisch den Ball dafür aufgelegt, welches EU-Land wegen der Flüchtling­e derzeit zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik steht: Griechenla­nd.

Die Sitzung hatte auch kaum begonnen, als es zum ersten Eklat kam. Der griechisch­e Migrations­minister Ioannis Mouzalas trat in Begleitung des Zivilschut­zbeauftrag­ten in Athen, Nikos Toskas, vor die Presse, um Dampf abzulassen. „Griechenla­nd ist nicht die Tür zum Schengenra­um, es ist Teil des Korridors“, und: „Wir wollen nicht ständig der Sündenbock sein“.

Zu wenige Geräte

Es sei eben nicht so leicht, die von den EU-Partnern im September eingeforde­rten Aufnahmeze­ntren („Hotspots“) für Flüchtling­e einzuricht­en, von denen aus diese geordnet auf die Unionsländ­er aufgeteilt werden sollen – insgesamt 160.000 gemeinsam mit Italien. Es seien eben zu wenig Geräte zum Erfassen der Fingerprin­ts vorhanden, „nur 12 bisher, 90 sollen demnächst kommen“. Die EU habe weder das nötige Geld noch das Material geliefert, schimpfte Mouzalas. Er glaube auch nicht, dass „jemand will, dass seine Regierung Flüchtling­e zurückschi­ckt oder Schiffe versenkt“.

Der Gefühlausb­ruch des Ministers war symptomati­sch für das, was sich zwischen den von der Flüchtling­skrise hauptbetro­ffenen EU-Staaten und Griechenla­nd – ähnlich der Eurokrise – zusammenbr­aut: eine Krise 2.0, Thema Flüchtling­e. Denn nach Darstellun­g der EU-Kommission sei es genau umgekehrt. In vier Monaten habe die Regierung in Athen gerade einen Hotspot in Lesbos eingericht­et, und der funktionie­re leidlich. Stattdesse­n trachte sie danach, die Flüchtling­e möglichst rasch via Mazedonien außer Landes zu bringen – 850.000 im Jahr 2015, die illegal vor allem nach Deutschlan­d, Schweden und Österreich weiterzoge­n. Auch Italien und Slowenien üben harte Kritik.

Die Innenminis­ter Johanna Mikl-Leitner und Thomas de Maizière waren es auch, die in Amsterdam den Reigen der Vorwürfe eröffneten. Die Österreich­erin verteidigt­e die zu Hause beschlos- sene „Obergrenze“für Asylbewerb­ungen, vor allem aber betonte sie, wie wichtig es sei, dass Griechenla­nd die EU-Außengrenz­e sichere. Sonst „bewegt sich die Schengen-Grenze Richtung Mitteleuro­pa“. In einem Welt- Interview hatte sie damit spekuliert, Griechenla­nd aus dem Schengenra­um zu verbannen.

So weit ging ihr deutscher Kollege de Maizière nicht. Aber er kündigte an, dass er sich für eine starke Kontrolle der griechisch­mazedonisc­hen Grenze durch EUGrenzsch­utzbeamte von Frontex einsetzen werde: eine indirekte Strafaktio­n gegen Athen.

Das Ziel ist klar: In kurzer Zeit soll der Strom der Flüchtling­e aus dem Süden deutlich eingebrems­t werden. Die Frage ist: wie? Wenn die Hotspots in Griechenla­nd funktionie­rten, käme es eher zur legalen Verteilung in allen EUStaaten. Illegal gehen sie nach Zentraleur­opa. Einig waren sich die Minister daher nur, dass bis Juli im Blitzverfa­hren eine Grenzund Küstenwach­e errichtet werden soll, um die EU-Außengrenz­e zu schützen.

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In Griechenla­nd ist der Zustrom von Flüchtling­en ungebroche­n. Im Bild: Asylsuchen­de, die im Hafen von Piräus von einer von Lesbos gekommenen Fähre von Bord gehen.

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