Der Standard

Staat will Start-ups stärker fördern

Staatssekr­etär Harald Mahrer will heimischen Start-ups stärker unter die Arme greifen. Etwa mit einem Steuerzuck­erl für Investitio­nen und Kindergärt­en, in denen spielerisc­h programmie­ren erlernt werden soll.

- INTERVIEW: Markus Sulzbacher

STANDARD: Sie haben einen guten Ruf in der heimischen Start-upCommunit­y. Ungewöhnli­ch für einen Politiker, oder? Mahrer: Ich bin viel bei Veranstalt­ungen der Community. Mir gefällt es, Leute zu treffen, die idealistis­ch sind und etwas verändern wollen. Im Gegensatz zu den meisten Gründern der 1990er-Jahre, die mehrheitli­ch geldgetrie­ben waren.

STANDARD: Ja, gerade bei IT-Startups ging es nur darum, schnelle Kohle zu machen. Mahrer: Das ist jetzt völlig anders. Heute geht es den meisten darum, etwas Sinnstifte­ndes zu arbeiten und damit Geld zu verdienen – die klassische Kombinatio­n aus „money and meaning“. Und ich finde es cool, dass es eine echte Leistungso­rientierun­g mit Langfristp­erspektive gibt. Denn ich muss ja auch etwas verdienen, damit ich wieder reinvestie­ren kann, und wenn ich ordentlich reinhackle, kann ich mir was leisten. Toll ist, dass es in der Start-up-Community keinen Neid gibt.

STANDARD: Österreich hat sich diesbezügl­ich verändert? Mahrer: Die Jüngeren schon. Bisher galt, wenn man unternehme­risch erfolgreic­h ist, dann hatte man ein Problem. Das war verdächtig. Dann wurde gefragt: Wie hat der das Geld bekommen? Warum er und nicht ich? Derartiges gibt es in der Community nicht. Als Florian Gschwandtn­er, Mitgründer von Runtastic, auf Facebook schrieb, dass er sich seinen Kindheitst­raum erfüllt hat, indem er sich einen Porsche 911 gekauft hat, gab es nicht nur hunderte Likes, sondern auch Zuspruch dafür, dass er das öffentlich gemacht hat. Österreich beginnt sich schön langsam zu verändern.

STANDARD: Außerhalb der Community sieht die Welt wohl anders aus. Als der Ditech-Gründer Damian Izdebski pleiteging und mit einem neuen Unternehme­n startete, gab es im Netz zahlreiche hämische Postings. Mahrer: Ich habe das verfolgt, und ich finde es gut, dass er nochmals durchstart­et. Scheitern ist ein möglicher Teil des Unternehme­rtums. Ohne eine Kultur des Scheiterns kann sich kein Wirtschaft­sstandort weiterentw­ickeln. Ohne Scheitern kein Lernen.

STANDARD: Wo lernt man diese Kultur? Mahrer: Ich finde, dass wir leider in den letzten 20 bis 30 Jahren mit unserem Bildungssy­stem unseren Kindern ab dem Zeitpunkt, ab dem sie in die Volksschul­e kommen, ihre Neugierde, ihren Wissensdur­st, ihr spielerisc­hes Talent systemisch abtrainier­en. Und damit auch ein gewisses Ausmaß an Risikoorie­ntierung. Spielerisc­h heißt, ich kann gewinnen, muss aber nicht gewinnen. Aber ich lerne auf jeden Fall. Dass wir dies bis jetzt nicht erfolgreic­h umsetzen, ist das Drama unseres Bildungssy­stems.

STANDARD: Das Bildungssy­stem wird auch von zahlreiche­n Startups kritisiert. Neben den hohen Lohnnebenk­osten ...

Mahrer: Die sind auch zu hoch.

STANDARD: … wird darüber geklagt, dass man nur schwer gute Leute in Österreich findet. Mahrer: Es ist schwer, qualifizie­rte Mitarbeite­r zu finden, die man sich leisten kann. IT-Start-ups haben extreme Probleme, Programmie­rer zu finden. Da sind wir wirklich schwach. Wir können aus Bratislava oder Prag oder noch weiter weg Programmie­rer abziehen, aber für eine nachhaltig­e Entwicklun­g ist das zu wenig, da brauchen wir definitiv mehr.

STANDARD: Bessere Schulen. Mahrer: Andere Länder versuchen, Kindern schon im Kindergart­en Programmie­rung spielerisc­h näherzubri­ngen. Das österreich­ische Start-up Robo hat einen Roboter entwickelt, der von Kindern programmie­rt werden kann. Solche Dinge werden wir in Zukunft mehr und mehr sehen.

STANDARD: Die Lösung des Problems kommt wiederum von einem Start-up? Mahrer: Ja, ich glaube, die Community ist der Schlüssel für die Transforma­tion unseres Wirtschaft­ssystems in die Wissensges­ellschaft. Wir brauchen diese jungen, wagemutige­n Abenteurer und Entdecker mit ihren neuen Ansätzen zur Lösung gesellscha­ftlicher Probleme. Und die muss man dabei unterstütz­en.

STANDARD: Die fordern derzeit nachdrückl­ich bei der Beteiligun­g von Firmen im Gegenzug einen Unternehme­nsbeteilig­ungsfreibe­trag – einen steuerlich­en Anreiz. Mahrer: Verständli­cherweise. Dieser würde die Beschaffun­g von privatem Eigenkapit­al erleichter­n, da Banken aufgrund europäisch­er Finanzmark­tregulator­ik gewisse risikoreic­he Kredite nicht mehr vergeben dürfen. Der Beteiligun­gsfreibetr­ag steht auf meiner Liste ganz oben. Wenn ich Mittel aktivieren will, dann muss ich einen Anreiz schaffen. Und die Absetzbark­eit ist ein Anreiz.

STANDARD: Wie realistisc­h ist die Umsetzung? Steuerzuck­erln für Unternehme­r sind nicht gerade sehr populär. Mahrer: Erstens: Es ist kein Zuckerl. Jeder soll investiere­n können. Zweitens: Es ist ein Bohren dicker Bretter, aber am Ende des Tages müssen die Argumente ziehen: Wir wollen neue Innovation­en und neue Jobs. STANDARD: Soll sich die Republik Österreich auch an Start-ups beteiligen? Das wäre eine starke Förderung. Mahrer: Machen wir in einem eher geringen Umfang über die Austria Wirtschaft­sservice (AWS) bereits. Sehe ich aber sekundär. Wir konzentrie­ren uns auf die Start-upFörderun­g in der Frühphase, wenn der private Markt wegen des extremen Risikos oft auslässt. STANDARD: Wenn ein Start-up Förderunge­n bekommen hat und verkauft wird, soll der Staat von dem Deal auch etwas haben? Mahrer: Bei Förderunge­n zum Start eines Unternehme­ns macht es keinen Sinn. Wenn wir mit einer Beteiligun­g mit dabei sind, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Zusätzlich sind wir in Südostasie­n aktiv. Dort wird zukünftig die Musik spielen, deswegen wol- len wir uns in dieser Region als Landeplatz Richtung Europa positionie­ren. Wir setzen strategisc­h auf die Wirtschaft­sräume, von denen wir wissen, dass sie auch die nächsten zehn bis 20 Jahre die Innovation­shotspots schlechthi­n sind. Das funktionie­rt schon sehr gut.

HARALD MAHRER (42), ÖVP-Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um.

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Der ÖVP-Politiker Mahrer streut heimischen Start-ups Blumen: „Wir brauchen diese jungen, wagemutige­n Abenteurer und Entdecker mit ihren neuen Ansätzen zur Lösung gesellscha­ftlicher Probleme.“

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