Hoher US-Besuch in einem heiklen Moment
Kambodschas Opposition fordert von US-Außenminister Kerry bei Besuch klare Worte
Es ist ein seltener Besuch auf unsicherem Terrain. Schon einige Tage vor dem Besuch von USAußenminister John Kerry, der am gestrigen Montag begann, schrieben vier Menschenrechtsgruppen unter dem Dach der Internationalen Vereinigung für Menschenrechte (FIDH) einen offenen Brief an den US-Chefdiplomaten. „In den vergangenen sechs Monaten haben juristische Schikanen, Angriffe auf und Festnahmen von Mitgliedern und Anhängern der Oppositionspartei signifikant zugenommen,“heißt es dort. Eine Annäherung zwischen Washington und Phnom Penh müsse daher von „bedeutsamen Reformschritten abhängig“gemacht werden.
Kerry erhofft sich engere Wirtschaftsbeziehungen und letztlich einen Schulterschluss. Dabei geht es nicht nur um ökonomische Fragen, etwa das multilateral vereinbarte Handelsabkommens TTIP, sondern auch um Politik – etwa den Streit um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer.
Derweil drohen Kambodschas Oppositionschef Sam Rainsy mehrere Jahre Haft. Grund ist eine Anklage wegen Verleumdung. Rainsy floh daraufhin ins Exil. Seither steht der Dialog zwischen den beiden größten Parteien des Landes, der regierenden Volkspartei (CPP) und der Partei zur Rettung der kambodschanischen Nation (CNRP), vor dem Scheitern.
Rainsy hatte Außenminister Hor Namhong 2008 als Kollaborateur des Schreckensregimes der Roten Khmer in den 70er-Jahren bezeichnet. Dieser hatte Rainsy verklagt, und im Herbst 2015 von einem Gericht Recht bekommen.
Die Anklage sehen auch ausländische Beobachter fast ausnahmslos als politischen Schachzug, um den Oppositionsführer kaltzustellen. „Man darf nicht vergessen, dass jene, die heute an der Macht sind, sozialisiert wurden durch die Regierungslehren des Sozialismus. Da ist es eindeutig so, dass sowohl Legislative als auch Judikative der Exekutive untergeordnet sind,“sagt Markus Karbaum, Autor des Buches Kambodscha unter Hun Sen.
Ou Virak, Präsident des kambodschanischen Thinktanks Future Forum, sieht die jüngsten Ereignisse auch als Ausdruck zunehmender Nervosität in Hun Sens CPP. Die Machtbasis der Partei sei gefährdet, sobald die Bürger begännen, über politischen Wandel zu diskutieren. Das gefährdet letztlich auch den Premier, der die Geschäfte des Landes seit Jahrzehnten mit wenigen kurzen Ausnahmen prägt.
Rainsy war bereits zweimal Verurteilungen durch eine Flucht ins Ausland ausgewichen, wurde aber jedes Mal begnadigt, sodass er kurz vor dem Erdrutschsieg seiner CNRP bei den Wahlen im Juli 2013 nach Kambodscha zurückkehren konnte. Zunächst boykottierten die CNRP-Abgeordneten für knapp ein Jahr die Sitzungen des Parlaments wegen des Vorwurfs der Wahlmanipulation. Schließlich wurde eine ‚Kultur des Dialogs‘ zwischen der regierenden CPP und der CNRP ausgerufen.
Zum Reden braucht es zwei
„Zu einer Kultur des Dialogs gehören zumindest zwei. Da Hun Sen die dominierende Figur ist und er daran auch kein großes Interesse hat, muss man feststellen: Der Dialog ist tot“, sagt Karbaum.
Virak zufolge hat die Annäherungen „keine substanziellen Ergebnisse“gebracht. Wichtiger sei es, eine Kultur der politischen Auseinandersetzung zu etablieren. Davon aber ist Kambodscha weit entfernt. In aktuellen Debatten klingen oft schrille Töne an, auch die Opposition ist nicht zimperlich. Wie gut der Modus eingeübt ist, wird sich auch 2017 zeigen. Dann finden Lokalwahlen statt, die nächste nationale Wahl 2018. Karbaum: „Ob die Regierung zu Gewalt greifen würde, wenn sich in einem Wahlergebnis ein Sieg der Opposition darstellt, bleibt abzuwarten.“Rainsy will die Kampagne vom Ausland aus leiten.