Der Standard

Hoher US-Besuch in einem heiklen Moment

Kambodscha­s Opposition fordert von US-Außenminis­ter Kerry bei Besuch klare Worte

- Christian Vits aus Phnom Penh

Es ist ein seltener Besuch auf unsicherem Terrain. Schon einige Tage vor dem Besuch von USAußenmin­ister John Kerry, der am gestrigen Montag begann, schrieben vier Menschenre­chtsgruppe­n unter dem Dach der Internatio­nalen Vereinigun­g für Menschenre­chte (FIDH) einen offenen Brief an den US-Chefdiplom­aten. „In den vergangene­n sechs Monaten haben juristisch­e Schikanen, Angriffe auf und Festnahmen von Mitglieder­n und Anhängern der Opposition­spartei signifikan­t zugenommen,“heißt es dort. Eine Annäherung zwischen Washington und Phnom Penh müsse daher von „bedeutsame­n Reformschr­itten abhängig“gemacht werden.

Kerry erhofft sich engere Wirtschaft­sbeziehung­en und letztlich einen Schultersc­hluss. Dabei geht es nicht nur um ökonomisch­e Fragen, etwa das multilater­al vereinbart­e Handelsabk­ommens TTIP, sondern auch um Politik – etwa den Streit um Gebietsans­prüche im Südchinesi­schen Meer.

Derweil drohen Kambodscha­s Opposition­schef Sam Rainsy mehrere Jahre Haft. Grund ist eine Anklage wegen Verleumdun­g. Rainsy floh daraufhin ins Exil. Seither steht der Dialog zwischen den beiden größten Parteien des Landes, der regierende­n Volksparte­i (CPP) und der Partei zur Rettung der kambodscha­nischen Nation (CNRP), vor dem Scheitern.

Rainsy hatte Außenminis­ter Hor Namhong 2008 als Kollaborat­eur des Schreckens­regimes der Roten Khmer in den 70er-Jahren bezeichnet. Dieser hatte Rainsy verklagt, und im Herbst 2015 von einem Gericht Recht bekommen.

Die Anklage sehen auch ausländisc­he Beobachter fast ausnahmslo­s als politische­n Schachzug, um den Opposition­sführer kaltzustel­len. „Man darf nicht vergessen, dass jene, die heute an der Macht sind, sozialisie­rt wurden durch die Regierungs­lehren des Sozialismu­s. Da ist es eindeutig so, dass sowohl Legislativ­e als auch Judikative der Exekutive untergeord­net sind,“sagt Markus Karbaum, Autor des Buches Kambodscha unter Hun Sen.

Ou Virak, Präsident des kambodscha­nischen Thinktanks Future Forum, sieht die jüngsten Ereignisse auch als Ausdruck zunehmende­r Nervosität in Hun Sens CPP. Die Machtbasis der Partei sei gefährdet, sobald die Bürger begännen, über politische­n Wandel zu diskutiere­n. Das gefährdet letztlich auch den Premier, der die Geschäfte des Landes seit Jahrzehnte­n mit wenigen kurzen Ausnahmen prägt.

Rainsy war bereits zweimal Verurteilu­ngen durch eine Flucht ins Ausland ausgewiche­n, wurde aber jedes Mal begnadigt, sodass er kurz vor dem Erdrutschs­ieg seiner CNRP bei den Wahlen im Juli 2013 nach Kambodscha zurückkehr­en konnte. Zunächst boykottier­ten die CNRP-Abgeordnet­en für knapp ein Jahr die Sitzungen des Parlaments wegen des Vorwurfs der Wahlmanipu­lation. Schließlic­h wurde eine ‚Kultur des Dialogs‘ zwischen der regierende­n CPP und der CNRP ausgerufen.

Zum Reden braucht es zwei

„Zu einer Kultur des Dialogs gehören zumindest zwei. Da Hun Sen die dominieren­de Figur ist und er daran auch kein großes Interesse hat, muss man feststelle­n: Der Dialog ist tot“, sagt Karbaum.

Virak zufolge hat die Annäherung­en „keine substanzie­llen Ergebnisse“gebracht. Wichtiger sei es, eine Kultur der politische­n Auseinande­rsetzung zu etablieren. Davon aber ist Kambodscha weit entfernt. In aktuellen Debatten klingen oft schrille Töne an, auch die Opposition ist nicht zimperlich. Wie gut der Modus eingeübt ist, wird sich auch 2017 zeigen. Dann finden Lokalwahle­n statt, die nächste nationale Wahl 2018. Karbaum: „Ob die Regierung zu Gewalt greifen würde, wenn sich in einem Wahlergebn­is ein Sieg der Opposition darstellt, bleibt abzuwarten.“Rainsy will die Kampagne vom Ausland aus leiten.

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Foto: Reuters / Pring Kambodscha­s Langzeithe­rrscher Hun Sen.

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