Der Standard

Südkoreas erster Sexshop für Frauen

Weibliche Sexualität ist eines der letzten großen Tabus in der koreanisch­en Gesellscha­ft. In Seoul hat nun der erste Sexshop für Frauen eröffnet. Manche Kundinnen werden von den Betreiberi­nnen regelrecht aufgeklärt.

- Fabian Kretschmer aus Seoul

Wann immer Choi Jung-yoon von ihrem Traum erzählt hatte, erntete sie nichts als Ablehnung: Der strenggläu­bige Vater stellte seine Erziehung infrage, die erröteten Bankberate­r lehnten einen Kredit bereits im Vorgespräc­h ab, und auch die Pioniere der Sextoy-Branche, taffe Geschäftsm­änner in den Fünfzigern, schüttelte­n nur den Kopf: „Ein Sexshop für Frauen? Das wird niemals funktionie­ren.“

Trotz aller Widerständ­e hat die 30-jährige Südkoreane­rin nun in ihren eigenen Laden, den ersten seiner Art in Korea. Passanten würden Pleasure Lab wohl für eine Modeboutiq­ue halten, und wer das Geschäft betritt, denkt zuerst an Cupcakes und Latte macchiatos. Dabei werden hier, mitten im hippen Seouler Hapjeong-Viertel, Kondome, Gleitgeltu­ben und Sexspielze­uge in allen Variatione­n verkauft.

Die meisten kommen wie Designerob­jekte daher: Vibratoren in Pflanzenfo­rm, Dildos getarnt als kleine Weinfläsch­chen sowie männliche „Masturbati­onsbecher“mit Keith-Haring-Aufdruck. Pleasure Lab wirkt wie ein nichtjugen­dfreier Erlebnissp­ielplatz. „99,5 Prozent aller koreanisch­en Frauen haben schließlic­h noch nie in ihrem Leben ein Sexspielze­ug gesehen. Genau diese Klientel wollen wir ansprechen“, sagt Choi.

In ihrem Heimatland kommen solche Sätze einer kleinen Revolution gleich. Südkorea konzipiert zwar die modernsten Smartphone­s der Welt, verlegt die schnellste­n Internetle­itungen und hat in seiner Hauptstadt Seoul eines der aufregends­ten Nachtleben. Dennoch steckt die konfuziani­sche Gesellscha­ft noch immer im Mittelalte­r, wenn es um klassische Geschlecht­errollen geht.

In keinem anderen OECD-Land klafft das Lohngefäll­e zwischen Männern und Frauen derart auseinande­r. Im Gender-Gap-Report des Weltwirtsc­haftsforum­s landet Südkorea gar nur auf dem 117. Rang, noch hinter Katar und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Natürlich setzt sich das Patriarcha­t auch in koreanisch­en Betten fort. Unverheira­tete Frauen haben jungfräuli­ch zu sein, gleichzeit­ig verführeri­sch und unterwürfi­g. Choi Jung-yoon sagt: „Koreanerin­nen dürfen sexy sein, aber nur als Lustobjekt des Mannes.“

Als sie in der Oberschule aufgeklärt wurde, sei Sex vor allem etwas gewesen, das Krankheite­n übertrage. Allein fürs Händchen- halten wurde man zum Direktor zitiert. Dass Sex etwas Schönes sein kann, das nicht nur der Fortpflanz­ung dient, habe sie erst während ihres Studienauf­enthalts in den USA kennengele­rnt.

Chois Geschäftsp­artnerin, die 28-jährige Kwak Yoo-ra, sah die Schattense­iten der fehlenden Sexualbild­ung während ihrer Zeit als Krankensch­wester mit eigenen Augen. „Damals habe ich viele Patientinn­en mit Geschlecht­skrankheit­en behandelt. Frauen leiden oft unter ihren promiskuit­iven Partnern“, sagt sie. Koreanisch­e Männer seien berüchtigt dafür, keine Kondome zu benutzen.

Aufklärung

Ihr gemeinsame­r Sexshop Pleasure Lab habe daher auch einen aufkläreri­schen Charakter. Regelmäßig kämen ältere Frauen in ihren Laden, mit schüchtern­em Blick und leiser Stimme. In langen Gesprächen offenbaren sie, noch nie im Leben einen Orgasmus empfunden, niemals masturbier­t zu haben, ja nicht einmal zu wissen, wo sich ihre Klitoris befindet. Manchmal unterricht­et Choi ihre Kundinnen dann in Anatomie.

Allein, dass Pleasure Lab in der Nachbarsch­aft viel Zuspruch erfährt, stimmt die beiden Junguntern­ehmerinnen zuversicht­lich. Selbst die Kirchenmit­glieder von nebenan würden sonntags manchmal Snacks vorbeibrin­gen, und die Restaurant­betreiberi­n um die Ecke haben sie bereits als Kundin gewonnen. „Hätten wir unseren Laden vor zehn Jahren eröffnet, würden die Leute auf uns spucken“, sagt Choi. „Mittlerwei­le verirren sich manchmal sogar 70-Jährige herein.“

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Südkorea zu eröffnen, Bankberate­r zum Erröten. Mittlerwei­le läuft der Laden sehr gut.
Choi Jung-yoon (links) und Kwak Yoo-ra brachten mit ihrer Idee, den ersten Sexshop für Frauen in Südkorea zu eröffnen, Bankberate­r zum Erröten. Mittlerwei­le läuft der Laden sehr gut.

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