Der Standard

Schlitzer mit Tablettena­ngst

Prozess um Einweisung von aggressive­m 30-Jährigen

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Wien – Eva Brandstett­er, die Vorsitzend­e des Schöffenge­richts, ist überrascht. „Jetzt sitzen Sie völlig normal da“, sagt sie zum Angeklagte­n Fatih A., für den die Staatsanwa­ltschaft eine Einweisung in eine Anstalt beantragt hat. Er soll im vergangene­n Jahr mehrere Menschen wüst mit dem Tod bedroht haben.

Besonders gerne sprach der 30-Jährige davon, seine vermeintli­chen Gegner aufzuschli­tzen, ihnen die Hütte anzuzünden, sie zu vergewalti­gen oder mit einer türkischen Fahne in der Hand zu köpfen. Wegen gefährlich­er Drohung kann er allerdings nicht angeklagt werden – denn der mehrfach Vorbestraf­te ist psychisch krank.

Am Prozesstag stimmt Brandstett­ers Eindruck, A. sitzt ruhig da, beantworte­t die Fragen, es ist ihm klar, dass er ein Problem hat. Diese Einsicht hatte er nicht immer. Erstmals war er im Jahr 2011 in einer psychiatri­schen Einrichtun­g behandelt worden, im Juni 2015 wurde er nach seiner Haftentlas­sung wieder ins Otto-Wag- ner-Spital gebracht. Es kam wie öfters in solchen Fällen: Er fühlte sich gut und setzte seine Medikament­e ab. Auch ein weiteres Argument führt er an: „Ich habe Angst vor der Pharmaindu­strie, das ist ja reine Chemie.“

Die Folge waren seine Aggression­sschübe. Er bedrohte einen Zivildiene­r in einer Unterkunft, Sozialarbe­iter auf der Straße, die ihm keine Zigarette geben wollten. Auch die Besitzerin eines Lokals wurde Opfer, selbst auf den Polizeiins­pektionen kündigte er Mordanschl­äge an.

Während die Polizisten und Polizistin­nen die Drohungen mäßig ernst nahmen, fürchten sich die zivilen Zeugen noch immer so sehr, dass sie nur in Abwesenhei­t des Angeklagte­n einvernomm­en werden wollen. Aus dem Nebenraum ist es ihm immer wieder wichtig, zu betonen, dass er sich entschuldi­ge, damals aber unter einer Psychose gelitten habe.

Der Senat will offenbar kein Risiko eingehen und entscheide­t sich gegen eine ambulante Behandlung, sondern weist A. rechtskräf­tig ein. (moe)

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