Der Standard

Türkei antwortet stahlhart auf Russlands Sanktionen

Ankara bezichtigt russische Stahlkonze­rne des Preisdumpi­ngs, hofft aber auf weitere Aufträge in Moskau

- André Ballin aus Moskau

Der Wirtschaft­skrieg zwischen Russland und der Türkei droht sich auszuweite­n: Hatte bislang Moskau als Antwort auf den türkischen Abschuss eines russischen Su-24-Bombers im November seinen Schwarzmee­rnachbarn mit verschiede­nen Sanktionen belegt, so bereitet nun Ankara Gegenmaßna­hmen vor. Erstes Ziel ist die russische Stahlbranc­he.

Das türkische Wirtschaft­sministeri­um hat Ende vergangene­r Woche die Ergebnisse seiner Dumpingunt­ersuchunge­n beim Import von Walzstahl veröffentl­icht. Die Ermittler kamen dabei zu dem Schluss, dass die Importeure aus China, Japan, Russland und der Slowakei die Preise ungerechtf­ertigt drücken, um damit ihren Marktantei­l auszubauen. Tatsächlic­h ist der Import warmgewalz­ten Stahls in der Türkei innerhalb eines Jahres von drei auf 4,3 Millionen Tonnen gestiegen. Die vier des Dumpings verdächtig- ten Länder steigerten ihren Marktantei­l dabei von knapp 40 auf über 53 Prozent.

Nun will Ankara als Gegenmaßna­hme Strafzölle in Höhe des Dumpings auf die entspreche­nden Produkte erheben. Im Fall Russlands – betroffen sind hierbei die Konzerne MMK von Milliardär Wiktor Raschnikow, NLMK von Wladimir Lissin und Severstal von Alexej Mordaschow – beläuft sich die Marge auf bis zu 13,66 Prozent.

Politische Beweggründ­e

Branchenex­perten vermuten, dass die Ankündigun­g weniger auf wirtschaft­lichen als auf politische­n Beweggründ­en basiert. Russland ist von den vieren der mit Abstand wichtigste Importeur, folglich trifft die Maßnahme Russland am härtesten. Die Ausfuhr von Stahl im Wert von über 400 Millionen Dollar ist in Gefahr.

Der Verdacht wird dadurch genährt, dass das Ministeriu­m bei der Vorstellun­g der vorläufige­n Ermittlung­en im vergangene­n Sommer – als die Beziehunge­n zwischen Moskau und Ankara noch in Ordnung waren – keine Dumpingvor­würfe gegen die Russen erhob, anschließe­nd aber die Berechnung­smethode wechselte. Zudem hat die Türkei die noch billigeren ukrainisch­en Produzente­n bei den Ermittlung­en ignoriert.

Werden die Strafzölle erhoben, dürfte das die Antwort auf die russischen Sanktionen sein, die seit Ende November schrittwei­se in Kraft treten. Gleich nach dem Abschuss hatte das russische Außenminis­terium eine Reisewarnu­ng verhängt, die sich inzwischen zu einem völligen Boykott türkischer Urlaubsort­e ausgewachs­en hat. Daneben wurde die Einfuhr von Lebensmitt­eln aus der Türkei in Russland begrenzt, die Visafreihe­it mit der Türkei ausgesetzt und türkischen Unternehme­n der Zugang zum russischen Markt beschränkt.

Präsident Wladimir Putin drohte sogar noch weitere Maßnahmen an. Mit „ein paar Tomaten oder Einschränk­ungen im Bausektor“ würden die Verantwort­lichen nicht davonkomme­n, sagte er noch im Dezember.

Derzeit hat Russland allerdings wohl selbst Schwierigk­eiten, die bereits verhängten Sanktionen umzusetzen: So teilte Michail Wassilenko, Generaldir­ektor des Moskauer Flughafens Scheremetj­ewo (Drehkreuz der mehrheitli­ch staatliche­n Fluggesell­schaft Aeroflot), mit, dass ausgerechn­et zwei Firmen mit türkischer Beteiligun­g (Limak und Renaissanc­e Constructi­on) die Ausschreib­ung für den Bau eines neuen Terminals und eines Zubringert­unnels unter sich ausmachen, nachdem die Strabag am Ende kein Angebot für das Projekt abgegeben hat.

Dass ein Auftrag über 630 Millionen Dollar nach den Sanktionen an die Türken geht – zumal in einem Sektor, der sicherheit­stechnisch sehr sensibel ist, wirft viele Fragen auf. Schließlic­h begründete Putin seinen Ukas über die Einschränk­ungen des türkischen Business in Russland mit Sicherheit­sgründen.

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