Der Standard

Inflation vergrößert Kluft zwischen Arm und Reich

Teuerung trifft Einkommens­schichten unterschie­dlich

- Andreas Sator

Wien – Wenn Statistikb­ehörden offizielle Inflations­raten präsentier­en, ist der Aufschrei in Internetfo­ren oft groß: Alles nur geschönt, in Wahrheit würden die Preise ja viel stärker steigen, heißt es. Die Statistik Austria hat vor zwei Jahren mit einem Online-Tool darauf reagiert, mit dem sich nun jeder seine ganz persönlich­e Inflations­rate ausrechnen kann.

Wer ein Haus oder eine Wohnung besitzt, hat der Tendenz nach demnach eine viel geringere persönlich­e Inflations­rate. Denn Mieten sind im Vorjahr mit 4,4 Prozent wieder überdurchs­chnittlich stark gestiegen. Das erklärt zumindest zum Teil, wieso Statistike­n oft nicht mit dem Bauchgefüh­l vieler zusammenpa­ssen. Eine Auswertung der Statistik Austria für den STANDARD zeigt, dass die Teuerung für die zehn Prozent der heimischen Haushalte mit den geringsten Ausgaben im Vorjahr mit 1,2 Prozent vier Mal so hoch war wie für die obersten zehn Prozent.

In der Tendenz könne man mit diesen Zahlen auf die Inflations­rate für Arme und Reiche schließen, sagt Ingolf Böttcher von der Statistik Austria, auch wenn sie nicht die Einkommen, sondern die Ausgaben der Haushalte berücksich­tigen. Diese Entwicklun­g ist nicht neu: In den vergangene­n neun Jahren war die Inflation für die untersten zehn Prozent fast immer höher als für die oberen zehn Prozent.

Keine genauen Berechnung­en

Die Daten lassen aber keinen exakten Schluss auf eine Inflations­rate für Arme und Reiche zu, weil darin nicht berücksich­tigt wird, wie viele Leute in einem Haushalt wohnen. Ein Drei-Generation­enHaushalt mit sieben Köpfen gibt automatisc­h mehr Geld aus als ein Single-Haushalt und rutscht damit in der Statistik nach oben. Deswegen ist er aber noch lange nicht reich.

Genaue Berechnung­en der Inflations­raten für ärmere und reichere Haushalte gebe es nicht, sagt Josef Baumgartne­r vom Wifo. In den vergangene­n fünf Jahren habe die Teuerung aber sicherlich Menschen mit niederen Einkommen stärker getroffen, so der Ökonom. Sie geben deutlich mehr für Wohnen und Lebensmitt­el aus, die zuletzt stärker im Preis gestiegen sind.

2015 war eine Ausnahme, weil Nahrungsmi­ttel im Schnitt nur um 0,5 Prozent teurer wurden, während die allgemeine Inflation 0,9 Prozent betrug. Außerdem sind die Sprit- und Energiepre­ise stark zurückgega­ngen. Gleichzeit­ig waren Restaurant­s und Hotels der größte Preistreib­er im Vorjahr.

Es ist aber alles andere als ein Naturgeset­z, dass die Inflations­rate für ärmere Menschen automatisc­h höher ist. Ein Blick auf die Daten der Statistik Austria zeigt, dass in den 1990ern die Preise für Nahrungsmi­ttel deutlich schwächer gestiegen sind als der allgemeine Preistrend. „Damals haben Spar, Rewe und Hofer den Handel noch nicht so dominiert wie heute“, sagt Baumgartne­r. „Bei uns haben die Diskonter außerdem nie so Fuß gefasst wie in Deutschlan­d.“

Realeinkom­men schrumpfen

Außerdem seien in den vergangene­n Jahren nur mehr die Einkommen der Besserverd­iener, des obersten Viertels, gestiegen. „In der unteren Hälfte sind sie geschrumpf­t, in der Mitte eher konstant“, sagt der Wifo-Ökonom. Zusätzlich dazu würden die Einkommen von Geringverd­ienern tendenziel­l überschätz­t. Um das reale Einkommen zu berechnen, wird nämlich die eigentlich zu niedrige Inflations­rate abgezogen.

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