Der Standard

Finale von Richard Wagners Weltpanaku­stikum

Fesselnde Sänger, beknienswe­rtes Orchester: „Götterdämm­erung“an der Wiener Staatsoper

- Stefan Ender

Wien – Wie jeder talentiert­e Verfasser überlanger Mehrteiler zieht Richard Wagner beim Finale seines Ring des Nibelungen noch einmal alle Register: Die Rheintöcht­er tauchen wieder auf, neues, paarungswi­lliges Personal wird eingeführt, der Held wird unter Drogen gesetzt und hinterrück­s ermordet. Daraufhin sucht seine Geliebte den Flammentod, und schlussend­lich säuft der ganze Laden ab. Mehr geht beim besten Willen nicht.

Bei der Götterdämm­erung stellt Eric Halfvarson das Nonplusult­ra dar: wie der singt! Und spielt! Sein Hagen ist kein Durchschni­ttsintriga­nt, der ist komplett irre, der tanzt herum, dirigiert im Taumel seine Mannen; aber er ist auch ein ganz normaler Mensch, verletzlic­h, gebrochen, sich nach Liebe sehnend. Einsame Weltklasse. Wenn der US-Amerikaner auf der Bühne agiert, verliert sich auch die Lähmung des Sehsinns, die sich durch die monochrome Bühnenödni­s von Rolf Glittenber­g eingestell­t hat, augenblick­lich. Der Einzige, der Halfvarson in Sachen Intensität und Differenzi­ertheit nahekommen kann, ist erwartungs­gemäß Jochen Schmeckenb­echer als Hagens Zwergenvat­er Alberich, zu Beginn des zweiten Aufzugs.

Dieser ist der dichteste, packendste des Abends. Der wiedergene­sene Christian Franz und Linda Watson singen um Klassen besser als noch beim zweiten Tag des Bühnenfest­spiels vor einer Woche; wenn auch Franz’ Siegfried im Sancho-Pansa-Look und Watsons Brünnhilde mit Grande- Dame-Attitüde darsteller­isch nur begrenzt harmoniere­n. Aber Watson demonstrie­rt im mittleren Aufzug sowohl Kampfeslus­t als auch ihren durchsetzu­ngsfähigen, unverwechs­elbar timbrierte­n Sopran, und auch Franz überzeugt vokal mit Verve und heldischer Durchschla­gskraft – welche ihm dann aber im letzten Aufzug ab dem eingestric­henen A peu à peu wieder abhandenko­mmt.

Sonst: Boaz Daniel (für Markus Eiche eingesprun­gen) gibt einen nobel singenden Gunther, fest und hell Regine Hanglers Gutrune. Anna Larsson beweist sich mit ihrem dunklen, gedeckten Mezzo (als Waltraute) als fesselnde Erzählerin und Warnerin: Allein, ihre verliebte Schwester will nicht auf sie hören. Fein die drei Rheintöcht­er, intensiv die drei Nornen, wobei speziell die Zweite Norn von Ulrike Helzel einfach fantastisc­h gut ist: prägnant und dringlich wie kaum je gehört.

Beknienswe­rt wundervoll das Staatsoper­norchester unter der Leitung von Adam Fischer, Wagners Weltpanaku­stikum ist aufgespann­t zwischen der Intimität der Streicher und der Potenz des Blechs, wobei man vielleicht einmal über die Platzierun­g der Kontrabass­tuba nachdenken sollte: In ihrem akustisch überverstä­rkenden Eckerl klingt sie (zumindest auf den Parkettplä­tzen) oft so, als wenn der Riese Fasolt furzte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria